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Grübelei aufnötigen. Aus diesen Erwägungen heraus gaben sie ihre Einwilligung zu Tante Sonjas Vorschlag. Durch den Schmerz aber, den sie bei der ganz neuen Vorstellung empfanden, die Tochter monatelang missen zu sollen, merkten sie selbst erst, wie sehr sie wohl im stillen gehofft hatten, daß sich Dorothees Leben auch fernerhin ganz in Burkahnen – mit dem Vetter als mögliche Zugabe – abspielen werde.

Dorothees achtzehn Jahre waren begeistert bei dem Gedanken an die Reise. Alles, was an ihr an Neugierde und Abenteuerlust und auch an Sehnsucht nach Schönheit schlummerte, wachte auf, und erstaunt merkte sie, daß sie sich schon lange solche Gelegenheit, die Welt zu sehen, gewünscht hatte, ohne es selbst zu wissen. Vor der Abfahrt lief sie zwar durch Haus und Garten, um von jedem Winkel Abschied zu nehmen, aber die Freude überwog doch bei weitem den Trennungsschmerz. Am längsten verweilte sie in dem großen ausgemalten Saale. Denn da waren ja unbekannte Gegenden dargestellt, und obschon ihr Reiseziel das entgegengesetzt gelegene, kalte und winterliche Petersburg sein würde, fühlte sie sich doch, durch die bloße Tatsache des Reisens, allem Fremden und Fernen nähergerückt – auch den auf den Gemälden des Saales abgebildeten sonnendurchleuchteten, sommerschönen Orten. Ja, es war ihr sogar plötzlich, einer Ahnung gleich, als würde diese Reise sie viel weiter führen, als jetzt beabsichtigt wurde – schließlich vielleicht sogar bis zu jenen südlichen Gestaden, nach denen der Ahnherr eine stete Sehnsucht bewahrt hatte, und deren Bilder heute, aus

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)