Cornelie hatte Eustach nicht ein einziges Mal rufen lassen. Jezt ging er mit dem Doctor zu ihr. Als sie ihn gewahrte, schloß sie sanft die Augen; es war ihr bitter ihn in diesem Augenblick zu sehen.
„Gieb mir die Hand! sprach er leise. Zur Versöhnung!“
„Der Tod versöhnt,“ sagte sie und gab ihm die Hand.
„Auch das Leben .… denn das Leben ist in Dir mächtiger als der Tod,“ entgegnete er und küßte ihre eiskalte Hand.
Stumm und traurig freundlich nickte sie ihm zu, und winkte ihm sich zu entfernen. - Ich wollte die Sache wäre nicht grade jezt passirt! dachte er als er wieder in seinem Zimmer war. Gotthard war schon seit dem Morgen ausgeritten.
Dorothee lag in ihrem Zimmer auf den Knien und Corneliens große Bibel vor ihr auf einem Stuhl, und mit Thränen und Inbrunst betete sie den 91. Psalm, den sie so oft Cornelien vorgelesen: „Er wird dich mit seinen Fittigen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen. Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Auf den Löwen und Ottern wirst du gehen“ – – Dies Gebet der
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/064&oldid=- (Version vom 31.7.2018)