Liebenswürdig zu lieben ist auch eine von den Gaben, welche wenig Männer besitzen! Eustach hätte sie .… wenn er lieben könnte. – Doch was er auch that, es war ihm unmöglich Cornelien einen jener Ausbrüche des Gefühls zu entlocken auf dem er hätte fußen können um sagen zu dürfen: Ah, Du liebst mich noch. – Mit einer Freundlichkeit die nie verletzt und nie ermuntert stand sie ihm gegenüber. Er fand bei ihr Theilnahme für jedes Interesse, Ansprache nach jeder Richtung der Verhältnisse, Anregung für geistige Beziehungen, Willfährigkeit auf seine Wünsche als Hausherr und als Vater einzugehen – aber dies Alles mit jener nicht zu bezeichnenden Nüance, welche eine Kluft, weit wie die Welt zwischen ihnen zog: Cornelie wollte ihm nicht mehr gefallen. Dem geliebten Mann gefallen zu wollen, heißt sich in der Sonnennähe des Glücks und des Liebeszaubers bewegen; Cornelie war in die Sonnenferne geschleudert.
Eustach gerieth in eine peinigende Aufregung. Es ist vorbei mit mir! sprach er oft zu sich selbst; ich werde alt, ich werde langweilig, ich kann nicht mehr ihr rebellisches Herz bezwingen. Ist denn das möglich .… schon jezt? ich bin ja noch nicht fünfundvierzig Jahr alt. – Er trat vor den Spiegel und betrachtete sich höchst aufmerksam und prüfend:
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/087&oldid=- (Version vom 31.7.2018)