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„Wie ein Schweizer See, begrenzt und tief – sprach Gotthard, der Beschreibung eingedenk, die ihm einst Madame Orzelska von Cornelien gemacht – so sind Sie, Gräfin! und ich habe schon öfter die Bemerkung gemacht, daß es eine gewisse Analogie zwischen den Characteren und den Stätten der Erde giebt zu denen sie sich hingezogen fühlen. Zuweilen ist es Sympathie, zuweilen Bedürfniß der Ergänzung, zuweilen der Wunsch innere Bilder sinnlich dargestellt zu sehen.“

„Und wenn Sie Sich Selbst fragen – welcher Stätte würden Sie den Vorzug geben? sprechen Sie! ich will daraus nach Ihrem Beispiel, Schlüsse auf Ihren Character machen.“

Gotthard wendete sich zu Cornelien, sah ihr fest in die Augen, und deutete stumm mit dem Finger auf den Teppich zu ihren Füßen.

„Daraus schließe ich denn, sprach sie seiner Pantomime folgend, daß Sie gar keinen Character haben, sondern nur Launen und Einfälle.“

Je nachdem er gestimmt war, nahm Gotthard eine solche Aeußerung als Scherz oder als Vorwurf hin. Diesmal dünkte es ihn ein tödtlicher Vorwurf. Leichenblaß stand er auf, und sagte ernst:

„Leben Sie wol! Sie verachten mich! es ist möglich daß ich keinen Character habe .… allein ich

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)