Seite:De Zwei Frauen (Hahn-Hahn) v 2.djvu/143

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Frühling, weil sie von ihm günstigen Einfluß auf Gotthard hofte. Er kam denn auch endlich, der Frühling, spät wie die Bergnatur das mit sich bringt, aber um so kräftiger je mehr er den winterlichen Widerstand bekämpfen muß. Gotthard saß eines Tages in Corneliens Zimmer am Fenster, blickte über den schillernden Spiegel des Sees hinweg auf die fernen Schneeberge von Glarus und Appenzell, und sagte:

„Ja, es ist schön hier, aber meine Steiermark ist doch noch schöner, noch grüner, noch primitiver, noch unentweihter durch die Cultur. Dieser fürchterliche Handel und Wandel, diese betäubende Industrie, haben dort noch nicht ihren Thron aufgeschlagen. Hier ist das Bergmädchen, Natur, doch schon gar zu städtisch herausgeputzt, und durch Betriebsamkeit halb frivol und halb spekulirend geworden, was ihre angeborne Naivetät sehr entstellt. Ich wollte, Gräfin, Sie kennten meine Steiermark.“

„Meine Augen sollen wie es scheint nicht gar viel auf der Erde kennen lernen, entgegnete Cornelie, sondern nur Weniges, und das – bis auf den Grund. Ich hab' so ein anschmiegendes Gemüth, setzte sie lächelnd hinzu, was ich so recht kenne, gewinne ich lieb und ersehne nichts darüber hinaus.“

Empfohlene Zitierweise:
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)