„Sei ganz unbesorgt, Dorel, und thue mir nicht die Schmach an mich mit dem langweiligen Fürst Gotthard, dessen ich mich aus Ems sehr deutlich erinnere, zu vergleichen. Er machte ihr schon damals in seiner phlegmatischen Weise den Hof, und die muß ja einer solchen Frau unerträglich sein.“
Dorothee sah ihn lange an und fragte: „Hältst Du Dich für unwiderstehlich, Leonor?“
„Bah! rief er ungeduldig, auf solche Frage giebt's keine Antwort, Kind.“
„Nun, dann bedenke doch die Verhältnisse!“ sagte sie bittend.
„Hat die Gräfin irgend etwas Unvortheilhaftes von mir gesagt? fragte er dringend; mißfalle ich ihr? hat sie etwas gegen mich .… ein Vorurtheil, oder sonst etwas? Sprich, sprich, liebe Dorel.“
„Nichts hat sie mir gesagt, und nichts wird sie mir sagen! sie weiß zu gut wie sehr ich Dich liebe; und dann ist sie ja auch doppelt freundlich gegen Dich, damit Du nicht etwa meinen dürftest sie trage Dir Groll nach wegen der unseligen Briefe. Nein, mich ängstigt nur, daß Dir die Liebe über den Kopf wachsen wird wenn Du hier bleibst.“
Leonor lachte und suchte ihr den Gedanken wegzuscherzen, allein er überzeugte sie nicht; sie blieb niedergeschlagen. Er hingegen überließ sich sorglos
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/175&oldid=- (Version vom 31.7.2018)