„Aber, ich bitte, Hannchen, Sie weinen doch nich jar? Um so ’n ollen Vagabunden? Na, hören Sie ’mal, wenn Sie so weichherzig sind, was wollen Sie denn anfangen, wenn ick ’mal abflattern sollte oder eins von Ihre Jeschwister?“ –
Er ergriff ihre Hand.
–Ach, es ist ja gar nicht Trauer, stotterte Hannchen – „im Gegenteil, es war ja so schön“ – –
„Schön? det Jepiepe? Na, da hab ick doch schon was Schöneres jehört,“ lachte Tewes überlegen, „kommen Sie, hängen Sie sich in meinen Arm; die unanjenehme Jeschichte hat Sie anjejriffen.“
Aber sie trat einen Schritt zurück. „Ich danke – ich bin es wirklich nicht gewohnt,“ stammelte Hannchen, „ich tue es nur mit Johann, wirklich!“ – Sie nahm Johanns Arm, sah aber Tewes reuevoll und beklommen an, denn er machte jetzt ein sehr gekränktes Gesicht.
„Na, die Unjewohnheiten sollten Sie nu aber bald ablegen,“ platzte er heraus – „denn will ick nu nich weiter belästigen; jute Nacht allerseits, wünsche allerseits wohl zu ruhen.“
Und mit zurückgeworfenem Kopfe, die Brust herausgedrückt, machte er Kehrt und marschierte stramm und ohne sich umzusehen, die Straße allein hinunter – direkt nach dem Hühnerposten. –
Sehr schweigsam vergingen die letzten Abendstunden.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/059&oldid=- (Version vom 31.7.2018)