In der Nacht wachte Rike an einem eigentümlichen Geräusch auf – „du weinst doch nich, Hannchen, Kind?“ fragte sie mit angehaltenem Atem.
„Nein,“ kam es schluchzend zurück.
Rike stand auf, tastete sich zu der Schwester hin und fühlte nach ihrem Gesicht.
„So kann das doch nicht gut gehen“, murmelte sie ratlos. „Ich glaube, Hannchen, du stellst dir alles schwerer vor als das is.“
„Ja,“ lispelte Hannchen.
„Du mußt bedenken, wie fremd er uns noch is,“ ermahnte Rike.
„Ja, das denk ich gerade.“
„Aber das is doch woll immer so, mit ’n fremden Mann,“ meinte Rike nachdenklich.
„Ja, wahrscheinlich.“
„Er is doch ’n guter Mann, nich Kind?“
„Ja, das muß er doch, weil er Johann aus dem Wasser gezogen hat.“
„Nich Kind, das können wir ihm doch nie vergessen?“
„Ach, Rike, ich begreif es auch gar nicht, wie ich so undankbar sein kann!“
„Das gewöhnt sich noch,“ tröstete die Schwester, – „hör bloß, nebenan trappt es immer auf und ab.“ –
„Das is Johann, ich kenn seinen Schritt, Rike.“
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/060&oldid=- (Version vom 31.7.2018)