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bodenerschütterndem Getrampel kehrten die hundertundzwanzig Beine in die Klasse zurück.

„Fräulein, mein Butterbrot is all wieder aus meine Dose rausgewesen,“ sagte der Klassenerste, während er an seinen Platz ging.

„Aus meiner Dose,“ berichtigte die Lehrerin, „hast du es auch ganz gewiß nicht verloren, Walter?“

Der Junge schüttelte den Kopf: „Nee, es is nu all das drittemal,“ sagte er, „aber es macht nix.“

Walter war ihr Liebling. Er hatte einen runden Kopf voll krauser Locken und ein gutes, sorgenloses Kindergesicht, frisch wie ein Apfel. Er hatte immer den reinsten Kragen und das reinste Taschentuch, und ordentlich einen kleinen Winterüberzieher und eine bunte schottische Schleife: er war der Aristokrat hier; Frieda hätte gewünscht, daß ihre ganze Klasse so sauber, so manierlich und so artig wäre. Und wie nobel er den Verlust seines Butterbrotes verschmerzte! Frieda konnte nicht umhin, ihm das Haar zu streicheln. „Ich werde es gleich untersuchen, Walter; du mußt zu Mittag um so mehr essen,“ tröstete sie ihn.

„Heut mittag gibt es Speckpfannkuchen, ist mir desto lieber,“ lächelte Walter verständnisvoll und strich sich zärtlich an Fräuleins Ärmel. Er stand mit Fräulein auf einem ganz besondern Fuß, hatte ihr sommerlang jeden Morgen aus dem eigenen Garten ein Sträußchen gebracht, das ihm die Mutter

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Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/112&oldid=- (Version vom 31.7.2018)