schmutzigen Finger schon seit einer Weile hoch über seinem Kopf reckt, die unvermutete Antwort ab:
„Thedche Bolzen kaut.“
„Ein schlechtes Zeichen fürs Angeben!“ ruft das Fräulein mit einem drohenden Blick auf den stumpfsinnigen Burschen, der seine Augen nie bei der Lehrerin, seine Gedanken nie bei der Sache hat, aber eine merkwürdige Gabe besitzt, Ungehörigkeiten zu entdecken.
„Was ißt du, Theodor?“
„Ich eß nich,“ brummt der Kleine vorwurfsvoll und nimmt ein schwarzes Klümpchen zwischen den Zähnen heraus, um es mit den Fingern hochzuhalten, „ich krieg ja all die ganse Woche nix mit, – is bloß ’n büschen Kaugummi.“
„Thedche Bolzen lügt,“ sagt Emil Würger, „er hat heute doch Brot gehabt.“
„Ich hab aber nix mitgekriegt,“ über die schmalen Backen fliegt ein helles Rot; er kneift die Augen zu und zieht die Mundwinkel herunter.
„Woher hattest du denn das Butterbrot, Theodor?“ sagt das Fräulein aufmerksam und strengen Tones, „komm mal heraus aus der Bank da, komm mal hierher ans Pult, sieh mich mal an, hörst du?“
Mit schlotternden Knieen kommt er heran, die dünnen Händchen vor den Augen, während er heftig an dem wiedereingesteckten Gummi kaut.
„Du weißt, daß seit acht Tagen immer Klage
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/115&oldid=- (Version vom 31.7.2018)