Karoline mit erstaunten Blicken und einem großen Tafelschwamm in der Hand auf der Schwelle erschien. Sie sah aus, als wolle sie alle Unordnung hier auf einmal wegwischen. Sie brachte auch die Klasse wieder in Ruhe, sie verstand das viel besser, als ihre weichere Freundin, und riet ihr, den Thedche Bolzen mindestens zum Alleinsitzen zu verurteilen.
„Wenn so etwas um sich griffe, denke dir, Frieda! Der Jung muß eben die paar Stunden so aushalten, bei mir sind auch einige, die nichts mitbekommen, – geht es uns denn viel besser? mich friert in der dünnen Jacke, daß mir die Zähne klappern, und meine Füße werden überhaupt nicht mehr warm! Leider Gottes hat jeder genug mit sich selber zu tun.“
Die beiden nächsten Tage versorgte Frieda den armen Hungrigen selbst mit einem Butterbrot, am dritten aber fand sie ihn, als sie ihn rief, schon in voller Eßarbeit.
„Woher hast du nun das wieder genommen, du böser Junge?“ fuhr Karoline ihn an.
„Von Walter Krull! hat Walter Krull mir gegeben!“ schrie Theodor, das dicke Schwarzbrot zwischen den Zähnen und die Hand schützend davor, als fürchte er, es möchte ihm da herausgerissen werden. Walter wurde gerufen und bestätigte vergnügt, daß seine Mutter ihm dieses Stück für Thedche Bolzen mitgegeben habe.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)