„Das ist doch merkwürdig,“ sagte Karoline, „wie ist denn das so gekommen, Walter?“ Walter lehnte sich in Friedas Arm zurück und lächelte: „Gestern hab ich zu mein Mama gesagt, du Mama, Thedche Bolzen hat gar kein Butterbrot mit, seine Eltern haben wohl gar kein Geld, nicht du? und da sagte mein Mama, das wird wohl so sein. Und da frag ich mein Mama, ob wir auch so wenig Geld haben, und da sagt mein Mama, nee, wir haben so viel, daß wir uns ordentlich sattessen können. Und da sag ich, na Mama, denn sei man so gut und gib mir immer zwei Stück mit jeden Tag, ein für mich und ein für Thedche Bolzen, daß er uns nicht immer was wegzustehlen braucht, und da sagt mein Mama ja, und da hab ich es ihm heute mitgebracht.“ Er schüttelte lustig seinen hübschen Lockenkopf und sprang davon; er hörte kaum darauf, wie ihm die zwei Fräulein nachriefen: „Das war recht, Walter.“ Er hatte einen neuen Ball bekommen heute, den er hatte zur Schule mitnehmen dürfen, und von dem sein Herz voll war.
Kinder ahmen alles nach, auch das Gute zum Glück. Nach ein paar Tagen stand Thedche Bolzen während der Frühstückspause da, wie ein Bäckerjunge ohne Körbe, – Hände, Taschen, Ränzel, alles war voll von Butterbröten, die ihm freiwillig geschenkt worden waren. Frieda erzählte in der wöchentlichen
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/118&oldid=- (Version vom 31.7.2018)