„Gun Abend,“ erwiderte Wobbe einsilbig und ging schnell vorüber.
Frau Wobbe hatte wenig zu tun gehabt; es ist die Wahrheit, gegen einen Nachbar wie Bornemann konnten Leute wie Wobbe nicht aufkommen. Sie saß im Laden und strickte mit ihren weißen, kältesteifen Fingern an einer wollenen Jacke für ihren Mann – es war ein Weihnachtsgeschenk, das nicht ganz fertig geworden. Alle Augenblick legte sie die Nadeln hin, hauchte in die Hände, rieb sie zusammen und horchte, ob ihr Mann oder ihre Tochter nicht zurückkehre. Ida war gekommen, kurz nachdem der Mann das Haus verlassen hatte. „Gott, Deern, büst du endlich dar?“ hatte Frau Wobbe erleichtert gerufen und Idas Strümpfe befühlen wollen, ob sie auch nicht naß seien. Aber das war ein Mädchen! sie hatte gestrampelt und gelacht und gerufen: „Ganz knochentrocken! wo is Papa? in’n Schuppen? na, denn gib mir man ’n neues Haarband, mein is wieder weg, denn will ich ihm ’n büschen entgegengehen!“ und ohne auf die kläglichen Reden der Mutter zu achten, hatte der Wildfang, der dem Vater glich, wie eine junge Kartoffel einer alten, seine dicken blonden Zöpfe neu zugebunden, sich ein Butterbrot aufgeschmiert und war wieder aus der Tür gewitscht, in den häßlichen naßkalten Winterabend hinaus, der aber, wie es schien, seinen roten Backen und lustigen Augen nicht das
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/158&oldid=- (Version vom 31.7.2018)