Sein Kopf hing auf die Brust; er sah erdfahl aus und alt, mit vielen Furchen und Falten, die das bleiche Schneelicht unbarmherzig enthüllte.
„Du siehst bös aus, Hein,“ entfuhr es der Atemlosen, als er nun, ohne zu sprechen, an sie herantrat und hart ihren Arm ergriff.
Sie drehte an ihrem Tuche und fuhr verwirrt fort: „Woll’n wir noch nich weg?“
„Dat is woll all lang Tied,“ erwiderte er; sein forschender Blick war wie eine Drohung.
„Du kuckst mich ja an, als hätt’st mich lang nich gesehen,“ sagte sie mit einem Versuch zu scherzen. Sie streichelte furchtsam seine große kalte Hand, die er ihr selbstvergessen überließ.
Nun aber riß er die Finger los und schlug die ihren derb und heftig beiseite.
Sie wich entsetzt zurück und hob die geschlagene Hand in die Höhe, ins Licht einer eben angezündeten Laterne. Ein schmerzliches Erstaunen lag in den getrübten Augen; die Lippen bebten wie bei einem Kinde, das gleich in Weinen ausbrechen will. Solch eine kleine weiche Hand! der Maschinist hatte sie noch eben geküßt und bewundert, und Heinrich schlug sie!
Warum?
Das Mitleid mit sich selbst wurde plötzlich so groß, daß sie zu schluchzen begann und in sich hineinwimmerte über ihre Jugend, ihre Verlassenheit,
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)