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ihre Kleider auf, als wolle er sie hineintragen, während eine Flut von Tränen ihr übers Gesicht und in das Halstuch rieselte.

Ein vorübergehender Schutzmann fragte sie, mitleidig spottend: „Sall ick di ’n beten in de Höcht bören, dat du beter in dat Finster kiken kannst, min Deern?“ und streckte schon die kräftigen Arme nach ihr aus, – da besann sie sich, wischte sich die Augen und kehrte langsam um auf dem durchweichten Wege.

Einmal schrie sie auf und sprang bebend seitwärts: sie hatte eine Hand auf ihrer Schulter gefühlt, und als sie sich umsah, gewahrte sie den verschwundenen Maschinenmeister, der regungslos und aschgrau vom Kopf bis zu den Füßen, – nur über die Stirn lief ein roter Streif – zu ihr hinstierte. Entsetzt schlug sie ihr Tuch über die Augen, aber sie konnte es nicht lassen, sie mußte noch einmal hinsehen. Da war es ein Baum, auf den das rote Licht einer Laterne an der Straße fiel; aber ihr bebten die Kniee, wie sie weiterlief, und die grünen, blauen und roten Lichter des Lübecker Bahnhofs tanzten vor ihren Augen.

Manchmal sah sie blitzschnell, wie ein Bild, das an ihr vorübergezogen ward, Heinrich in dem Dielenstübchen sitzen, die langen Glieder viel zu groß für den engen Raum, - und sie wunderte sich, ob er

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Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/225&oldid=- (Version vom 31.7.2018)