an? Er und Geld nehmen? Er sah seine Hände an. Nie einen Pfennig! Sie waren rein. Rein?
Das Echo seiner eigenen Gedanken schreckte ihn, als sei das letzte Wort, von fremdem Mund gesprochen, laut durch das Zimmer gehallt. Er sah sich argwöhnisch nach rechts und links um – war hier noch jemand außer ihm? Dort in der dämmerigen Ecke hinter dem Bett schien sich etwas zu bewegen, huschte etwas auf und ab, dunkel und hell, – was war das? Er schob das Bett zur Mitte des Raumes, zwängte sich an der Wand durch und stand nun neben dem alten bunten Kattunvorhang, der die tiefe Ecke halb verhüllte, aus der ihn ein Menschengesicht ansah. Er fuhr zurück, runzelte die Stirn und streckte die Hand danach. Sie stieß an kaltes Glas, er tat einen tiefen Atemzug – nur ein Spiegel! Aber war denn das sein Gesicht? Dies bläuliche verzerrte Gesicht mit dem gesträubten Haar, den aufgerissenen Augen? Und was für ein Strich war das da, gerade unter dem Kinn, der den Kopf vom Rumpfe trennte? Nein, nein, das war nicht er, das war der Raubmörder, der nebenan im Gefängnis hinter den vergitterten Fenstern auf den Morgen wartete, auf seinen letzten. Wie kam der hierher in das Glas?
Er zog sein blaues Taschentuch hervor und begann an dem Spiegel zu reiben, hastig, immer
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/229&oldid=- (Version vom 31.7.2018)