Er mußte hingehen und es befühlen. Richtig, weiche Kissen, die seinem Drucke nachgaben, alles trocken und warm. Und doch, wenn er zurückging, kein Bett, sondern ein Kessel voll Schwefelsäure, und was sonst noch darin ist? – – –
Er stieß einen Schrei aus, der Kessel war zersprungen, in zwei Hälften geborsten, und eine Knochenhand reckte sich nach ihm – ein zerspaltener Schädel glotzte über den Rand – ja das Schürfeisen war ihm so nah zu Händen gewesen!
Die Lampe erlosch; er stand im Finstern inmitten eines gespenstischen Gewimmels. Wieder drei Glockenschläge; es ist dreiviertel auf sechs. Nun wird er schon angekleidet sein, sein letztes Brot essen. Woran er wohl denkt? Ob er wohl betet? Er begann mechanisch das Vaterunser herzusagen, bis er an die Stelle kam: „Und vergib uns unsre Schuld.“ Da seufzte er tief auf, schüttelte den Kopf und begann von vorn. „Und vergib uns unsre Schuld, wie wir vergeben“ – – „Nee, nee, ick kann nich,“ stöhnte er qualvoll, „Em nich, dat kann uns Herrgott nich verlangen.“ –
Dann packte er seine Sachen zusammen, alles im Dunkeln, griff nach seiner Mütze und lief zum Hause hinaus, ehe es sechs schlug. Er schob den Schlüssel unter die Haustür hinein und eilte durch den dunklen Wintermorgen vorwärts über die leeren
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/233&oldid=- (Version vom 31.7.2018)