Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/115

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eines so unbedeutenden Opfers wohl werth ist, gesetzt es machte Ihnen kein Vergnügen, von ihrer Einladung Gebrauch zu machen. Kleiden Sie sich also an und gehen Sie mit.“

„Nun, so sei es denn,“ sagte ich, indem ich aufstand und mich anschickte, meine Toilette zu machen. Mein Haar, welches durch seinen Glanz, seine Fülle und Feinheit das Arrangement erleichterte, war bald geordnet und floß in langen bauschigen Locken von den Schläfen auf die Schultern, während eine griechische Flechte das Hinterhaupt zierte. Ein gesticktes Linonkleid, welches ich von Deutschland mitgebracht, ein paar reiche Armbänder und weiße Atlasschuhe von früher her nebst weißen Handschuhen machten meinen ganzen Ballstaat aus, und nach einer halben Stunde erschien ich wieder vor Miß Ch.

„Bravo! rief diese bei meinem Eintritt, wenn Sie heute nicht erobern, dann heiße ich nicht Emilie,“ fuhr sie im Tone der Bewunderung fort, indem sie mich genau musterte.

„Ein Herz genügte mir, entgegnete ich lachend, aber da ich bis jetzt noch keins gewonnen habe, so ist meine Bestimmung wahrscheinlich, mein Leben in gesegneter Einzelnheit zu verbringen.“

„Welche Idee! wie viel wollen Sie wetten, daß Sie sich verheirathen?“ sagte Miß Ch., ihre Toilette beendend.

„Ich wette nie,“ erwiederte ich.

„Sie sind durchaus eine Ausnahme von der Regel; Sie werden in einem Alter erst schön, wo viele Mädchen schon verblüht sind, während vieler trauriger Jahre, die Sie verlebten, konnte sich Ihre Blüthe nicht entfalten, und wenn man annimmt, daß Sie diese jetzt nachholen werden, so muß man gestehen, daß Sie bedeutende Chancen für sich haben.“

„O, entgegnete ich scherzhaft, lassen Sie das Glück nur kommen, ich werde ihm diesmal gewiß nicht den Rücken drehen.“

„Um Ihnen zu beweisen, wie viel mir daran liegt, daß Sie gefallen, sagte die Ch., so habe ich Ihnen diese schönen Camelien mitgebracht, und befestigte ein reizendes Bouquet am Busen; und diese zwei gehören in das Haar,“ fuhr sie fort, indem sie zwei prachtvolle hochrothe in mein Haar steckte. Ich war gerührt von so vielen Beweisen der Freundschaft und dankte ihr mit einem Kusse. Als wir fertig waren, stiegen wir in den Fiacre und fuhren dem Orte unserer Bestimmung zu. Der vorm Ballsaal stationirte Bediente rief laut unsere