Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/116

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Namen hinein, worauf Frau C. und ihre lieblichen Töchter uns entgegen kamen und uns bewillkommneten. Wir fanden hier eine Anzahl von Miß Ch.’s Freunden, welche uns das peinliche Gefühl der langen Weile ersparten, und so fühlten wir uns bald ganz heimisch.

Der einzige Sohn des verstorbenen Majors, ein junger Jurist, engagirte mich sogleich zum nächsten Tanz, und Herr R. bat um die Gunst, den nächstfolgenden mit mir zu tanzen. Ich war an jenem Abende mehr gesucht als je zuvor, die Herren drängten sich an mich trotz meiner fünfundzwanzig Jahre, die mir bekannten bemüheten sich, mich zu engagiren, und die mir fremden ließen sich mir vorstellen. Aus einer Gruppe älterer Herren von militairischem Aeußerem trat ein alter Herr auf Mistreß C. zu und nachdem er einige Worte mit ihr gewechselt hatte, näherten Beide sich mir und die Majorin sagte: „Fräulein …, Herr v. T. bittet um die Ehre, Ihnen vorgestellt zu werden! Er war während vieler Jahre der Freund des verstorbenen Majors und fährt fort, uns mit seiner Freundschaft zu beehren. Sie werden an ihm einen angenehmen Gesellschafter finden.“

Es lag so viel warme Empfehlung in diesen Worten, daß ich mich veranlaßt fühlte, dem Herrn v. T. mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als ich ohne dieses gethan haben würde. Sein Name wie seine Aussprache überzeugten mich bald, daß er kein Brite war, und sein gewähltes Aeußeres wie seine edeln Formen bewiesen, daß er sich in den höheren Kreisen der Gesellschaft bewegt hatte. Außerdem besaß Herr v. T. eine sehr angenehme Unterhaltungsgabe, und die Lebhaftigkeit seines Geistes wie seine elegante Haltung hätten ihn für einen Vierziger passiren lassen, während sein tiefgefurchtes Gesicht und seine verfallenen Züge einen hohen Sechsziger in ihm vermuthen ließen. So oft ich aufhörte zu tanzen, war Herr v. T. an meiner Seite, erzählte allerhand interessante Begebenheiten aus seinem Leben, und schilderte mir sein Vaterland Portugal mit seinen Bewohnern in so lebhaften Farben, daß ich mich unbeschreiblich gut dabei unterhielt. Zugleich entfaltete er eine große Kenntniß der Geschichte und entdeckte sogleich die Enthusiastin für das Große und Schöne in mir. Als ich ihm einige Strophen aus der Lusiade nach Lord Strangford’s Uebersetzung anführte, wurde er sehr ernst und sagte: „Es erstehe nur der große Emanuel wieder, dann werden auch Lusitaniens große Thaten sich erneuern, und ein heldenmüthiger