Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/117

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König Sebastian wird auch einen Camoens finden, denn das Volk ist der höchsten Cultur und der größten Thaten fähig.“

„Davon bin ich fest überzeugt,“ erwiederte ich. „Was aber den König Sebastian betrifft, so bin ich der Meinung, daß er weder zu Portugals Ruhm noch zur Begeisterung des Camoens beigetragen[WS 1] hat, wohl aber zur Unterjochung der Christenfreiheit unter dem heillosen Despotismus der Jesuiten, zur Entvölkerung seiner Staaten durch den fanatischen Feldzug gegen die Mauren und seine Niederlage bei Alkassar in Afrika. Camoens’ mächtiger Geist trat schon unter seinem Vorgänger, während dessen glänzendster Periode in’s Leben der Kunst, aber auch er entging nicht der Rache der lichthassenden Jünger Loyola’s, und diese sind es, welche alles Unglück über Portugal gebracht haben.“

„Es freut mich, sagte Herr v. T., daß sie unsern großen Dichter zu würdigen wissen.“ Diese schnelle Wendung des Gespräches fiel mir für den Augenblick auf, denn die Politik Portugals interessirte mich von jeher. Ich antwortete daher: „Gewiß bewundere ich ihn, wie sein Geschick, welches ihm ein ähnliches Thema wie dem Homer lieferte und ihn in demselben Rang mit ihm stellte.“

„Merkwürdig ist, das Beide unglücklich waren und in Armuth starben,“ sagte v. T.

„Das ist überhaupt das Loos schöner Seelen, entgegnete ich, weil sie in den Dingen der Wirklichkeit immer Kinder bleiben, während sie in den idealen eine Größe erreichen, mit der sich nichts Vorhandenes vergleichen läßt. Der sogenannte Glückliche wurzelt immer mit seinem eigensten Wesen im Irdischen, hier ist er zu Hause, entwickelt erstaunliche Kraft in Erreichung materieller Zwecke, und Sie werden in den Reihen der Söhne Fortuna’s daher auch im Grunde nur geringe Geister finden; das Genie müssen Sie blos im Reiche des Unglückes suchen, wenn Sie es antreffen wollen. Dies liegt alles in den Worten begraben: Das ist das Loos des Schönen auf der Erde.“

„Ein herrlicher Spruch, der einem Raçine Ehre machen würde!“

„Dafür ward er auch von einem Größeren, als Raçine ist, in’s Leben gerufen, entgegnete ich mit nationalem Selbstgefühle, von dem unsterblichen Deutschen Schiller.“

„Wenn ich hoffen dürfte, Sie zur Gattin zu erhalten, erwiederte Herr v. T., so fing ich morgen schon an, Ihre Muttersprache zu erlernen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: beigetregen