Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/119

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seit langer Zeit gehört habe, weshalb ich ihm auf seine Bitte erlaubt habe, uns zu besuchen.“

In demselben Augenblicke kam Sir C. mit einer jungen Dame am Arm und von Herrn v. T. gefolgt, um seiner Mutter zu sagen, daß man mit den Tänzen, welche vor dem Souper getanzt werden sollten, fertig sei. Die Majorin stand auf und nahm den Arm eines älteren Herrn, Herr v. T. den meinen, und so gingen wir paarweise zur Tafel. Herr R., wahrscheinlich mit der Absicht herein tretend, mir den Arm zu reichen, stutzte, als er mich mit dem Portugiesen sah, und nahm Fräulein Ch. unter den Arm. Bei Tische erzählte mir Herr v. T. viel von seinem Vaterlande und Dom Miguel, den er seinen König nannte; wie auch, daß er von der herrschenden Parthei verbannt worden, aber mächtige Fürsprecher und Freunde habe, durch die er seine Begnadigung von der Königin Donna Maria zu erlangen hoffe.

Der Abend – wenn man den Zeitraum bis vier Uhr Morgens so nennen kann, war schneller und angenehmer vergangen, als ich erwartet hatte. Als wir weggingen, begleitete uns Herr v. T. an den Wagen, wiederholte seine Anmeldung auf morgen und küßte mir dann die Hand.

„Nun, welcher ist der Bevorzugte, Herr v. T. oder Herr R.?“ fragte Miß Ch., sobald wir allein waren.

„Wirklich, ich kenne Beide noch zu wenig, versetzte ich, um über ihre Vorzüge entscheiden zu können.“

„So viel kann ich Ihnen sagen, warf die Ch. ein, wenn Sie Herrn R. gewinnen wollen, so müssen Sie zuvorkommend, dreist herausfordernd sein, sonst bringt es der schüchterne, unschlüssige Mensch zu keiner Entscheidung.“

„Ja, wenn ich mir auf diese Art einen Mann erhaschen soll, dann kriege ich gewiß keinen, sagte ich. Einem gewandteren Mädchen kann es gelingen, sich einen Mann zu erlisten, meine Wenigkeit will gewonnen sein,“ setzte ich scherzhaft hinzu.

„Jedenfalls rathe ich Ihnen zu Herrn v. T., denn er ist reicher, und dieses ist doch das Hauptgewicht in der Waagschale der ehelichen Gründe.“

„Wecken Sie meinen Oppositionsgeist nicht durch eigennützige Erwägungen, sonst bin ich im Stande, aus reiner Uneigennützigkeit mich zum ewigen Cölibat zu verpflichten.“