Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/120

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„Allerdings wäre Herr v. T. eine weit passendere Parthie für mich als für Sie, fuhr Miß Ch. nachdenklich fort, schon vermöge seines Alters passender für mich als für Sie, und wenn Sie es dahin brächten, daß er mich heirathete, so wollte ich mich verpflichten, Ihre Heirath mit Herrn R. zu Stande zu bringen.“

„So viel in meiner Macht steht will ich thun, und zwar auch ohne diese Bedingung, denn ich könnte nie zu einem Manne Vertrauen haben, der mir durch eine dritte Person ankopulirt worden wäre.“

„Nun, wenn man solche primitive Ansichten hat wie Sie, verdient man sitzen zu bleiben, scherzte die Ch. Einem schüchternen, unschlüssigen Liebhaber wollen Sie nicht auf die Sprünge helfen und wollen sich durch mich auch nicht helfen lassen? Als ob es sich heutzutage noch von Vertrauen handelte! Wer seinem Manne vertraut, wird ganz gewiß betrogen von ihm, mithin ist es klüger, man traut ihm nicht weiter als man sieht. Glauben Sie mir, wer glücklich heirathen will, muß nichts fordern, als sich eine Stellung zu sichern, das Uebrige ist Nebensache.“

„Nun aber, wie kommt es denn, meine liebe Ch., sagte ich etwas spitz, wie kommt es denn, daß Sie trotz Ihrer etwas eleganten Ehestands-Philosophie sitzen geblieben sind?“

„Die Sache ist sehr einfach, ich hatte von jeher ein zu weiches Herz und konnte die Männer nicht schmachten sehen, und so habe ich leider immer das französische Sprüchwort ce qui attache la femme détache l’homme bestätigt gefunden, denn die Männer sind undankbare Geschöpfe und gleichen der Schlange, die ihren Wohlthäter vergiftete. Und nicht genug, daß sie einen verlassen, nein, jeder, auch der duckmäuserigste und scheinheiligste Ehemann hat seinen Busenfreund, gegen den er sich seiner Eroberungen rühmt; und so hat man am Ende für seine Verbindlichkeit nichts als den Verlust seines Rufes.“

Ich mußte ihr in’s Gesicht lachen, indem ich sagte: „Sie geben Ihren Heiraths-Recepten herrliche Empfehlungen bei. Auf Ihr Arcanum müssen Sie nicht schreiben: „Mittel, um einen Mann zu gewinnen,“ sondern: „Mittel um eine alte Jungfer zu werden.“ Nun, wenn es mir gelingt, Ihnen Herrn v. T. zuzuschanzen, so lassen Sie sich nur ja nicht wieder von der Weichheit Ihres Herzens beschleichen.“

„Fürchten Sie nichts! je älter die Männer sind, desto mehr gleichen sie dem Brausepulver, welches alle schädlichen Aufwallungen dämpft, das erleichtert ihnen gegenüber die Tugend ungemein.“