Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/122

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mir zu sehen. Die Dame nahm hierauf eine Visitenkarte aus ihrem Etui, und indem sie mir sie präsentirte, sagte sie, sie heiße Frau T. und sei eine Bergwerksbesitzerin aus Cornwall, wo sie mit ihrer Tochter lebe, daß jedoch ihre bedeutenden Geschäfte sie verhinderten, die Gesellschaft ihres Kindes zu genießen; sie wünsche deshalb ihr eine Gesellschafterin zu geben, und da Miß M. mich auf’s wärmste empfohlen habe, sei sie geneigt, mir den Aufenthalt in ihrem Hause möglichst angenehm zu machen. Dann fügte Mistreß T. noch hinzu, daß sowohl ein paar gut dressirte Reitpferde wie eine Equipage zu meiner und ihrer Tochter Verfügung bereit stünden. Schließlich ersuchte sie mich, Tags darauf in Park-Lane bei ihr vorzusprechen, um den Contract gleich zu machen, und schien eben so zufrieden mit mir, wie ich mit ihr es war, als sie mich verließ.

Meine Freude war unbeschreiblich groß, denn dieses war eine der brillantesten Stellungen, die ich noch gehabt. Allerdings konnte ich nicht wissen, ob ich dieselben Sympathieen hier finden würde wie bei Frau S. und ihren Töchtern; aber so viel wußte ich, daß mich noch keine Dame mehr angesprochen hatte als Mistreß T. Ich konnte kaum den Augenblick erwarten, wo Miß Ch. nach Hause kam, um ihr meine Freude mitzutheilen, doch als dies geschah, war sie weit davon entfernt, einzustimmen, sondern sagte mit Thränen in den Augen:

„Sie wollen mich also verlassen und Ihr Glück mit Füßen treten, indem Sie Bekanntschaften abbrechen, welche das Glück Ihres Lebens und Ihrer Familie machen können?“

„Sie wissen, versetzte ich, liebe Freundin, daß ich von meinen Ersparnissen lebe, und auf eine bloße Speculation hin eine solche Stellung abzuweisen oder auch nur einen Schilling zu verthun, wäre eine Thorheit, deren ich nicht fähig bin. Also es bleibt dabei, ich gehe nach Cornwall.“

Als Herr v. T. kam, war er so bestürzt über diese Nachricht, daß er den ganzen Abend den Kopf hing und so in Gedanken vertieft, daß er die Zeit des Heimganges verpaßte und erst durch den Glockenschlag der zehnten Stunde daran erinnert ward. Jetzt erst besann er sich, daß er keinen Hausschlüssel bei sich hatte, und ging ganz niedergeschlagen von dannen.

Am folgenden Morgen begab ich mich erst zu Miß. M., um mich nach Frau T. zu erkundigen, bevor ich den Contract schloß. Glücklicher