Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/125

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„Sie sprechen in Räthseln,“ entgegnete ich.

„Seit ich aus meinem Vaterlande verbannt ward, fuhr jener fort, verging kein Tag, an dem ich mir nicht den Tod wünschte; seitdem ich Sie kenne, möchte ich noch einmal ein Jüngling sein, selbst auf die Gefahr hin, noch einmal alle die Martern des Daseins durchfühlen zu müssen.“

„Es freut mich, entgegnete ich, Ihnen eine bessere Meinung vom Leben beigebracht zu haben.“

„Und dennoch wollen Sie mich in mein lebensmüdes Dasein zurückstoßen, indem Sie mir ihre Gegenwart entziehen, die mich mit ihm aussöhnte?“ versetzte er.

„Ich folge meinem Berufe.“

„Und wenn die Vorsehung Sie nun berief, den Abend eines Scheidenden zu verschönen, oder mit dürren Worten, einen alten Mann zu beglücken?“

„Dem Rufe der Vorsehung werde ich stets mit Freudigkeit folgen,“ erwiederte ich nicht ohne Bewegung.

Herr v. T. drückte meine Hand an sein Herz, und indem er vor mir stehen blieb, blickte er mir lange mit einem unbeschreiblichen Ausdruck der Freude in die Augen, und sagte dann: „Hören Sie mich denn erst ruhig an, ich will Ihnen mit prosaischer Wahrheit ein treues Bild meines Lebens mit wenigen Zügen entwerfen, und dann entscheiden Sie über mein ferneres Schicksal. Ich bin der einzige Sohn eines reichen Weinbergsbesitzers in Lissabon, meine älteste Schwester, funfzehn Jahre älter als ich, heirathete schon mit sechszehn Jahren einen der reichsten Kaufleute dort, und meine zweite, welche zehn Jahre vor mir das Licht erblickte, heirathete einen Beamten. Als ich ein Jahr alt war, verlor ich beide Eltern, und der Gatte meiner ältesten Schwester ward mein Vormund. Er brachte mich in ein Institut, und als ich mündig wurde, betrog er mich um dreißigtausend Pfund Sterling. Demungeachtet war ich noch sehr vermögend, und da mein Schwager kinderlos und kränklich war, unterließ ich um meiner Schwester willen, ihm den Prozeß zu machen, heirathete sehr jung und widmete mich theils der Kaufmannschaft, theils der Diplomatie. Nach einigen Jahren ward ich Wittwer, verheirathete mich zum zweiten Male und verschrieb mein Vermögen meiner Gemalin, weil sie mich glücklich machte, und diese Maßregel wurde wieder für mich selbst zum Glück. Denn als ich wegen