Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/157

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ich ihn schmerzlich an, und dies wirkte stärker als Worte auf ihn, denn er sagte, meine Hand an sein Herz pressend: „Verzeihe mir, Marie! ich will Dir vertrauen, und wenn mich die ganze Welt betröge.“

Er rieth mir, meine Stelle sogleich zu kündigen und wollte von einem Aufenthalt in Irland durchaus nichts hören; vielmehr war er der Meinung, wenn sich nicht gleich eine passende Unterkunft finde, so solle ich mit Anfertigung meiner Ausstattung und Ertheilung von Privatunterricht mich beschäftigen. Und allerdings giebt es sehr viele junge Personen, welche auf diesem Wege sich eine sehr angenehme Existenz verschaffen.

Die Marquise empfing meine Kündigung mit unverhohlener Bestürzung, und auch mir war es unendlich schmerzlich, mich von dieser liebenswürdigen Familie trennen zu müssen, nachdem ich gerade ein Jahr in ihrem Schooße verlebt hatte, das immer zu meinen schönsten Erinnerungen gehören wird. Ich begab mich zu derselben Dame in Pension, von der aus ich in das markgräfliche Haus S. getreten war, und es gelang mir auch bald, eine hinreichende Anzahl Lehrstunden zu finden, um meinen Lebensunterhalt zu decken. – So hatte v. T. vor seiner Abreise noch die Befriedigung, mich glücklich eingerichtet und vor Mangel geschützt zu sehen. Je näher die Zeit seiner Abreise rückte, um so schwermüthiger wurde v. T., sein Gesicht trug die Spuren des tiefsten Kummers, seine Augen waren oft von Thränen feucht, und nur die Versicherung meiner unwandelbaren Liebe und Treue vermochte ihn einigermaßen aufzurichten, und auch er gab mir alle erdenklichen Garantieen der seinigen. Am Tage unserer Trennung war er so sehr von Schmerz überwältigt, daß es meiner ganzen Standhaftigkeit bedurfte, um ihn aufrecht zu erhalten und ihn zu vermögen, seinen Vorsatz auszuführen. Ich beherrschte meine Betrübniß, so gut ich konnte, und bemühete mich, ihm Muth einzusprechen und Hoffnung einzuflößen; er aber nahm meine erkünstelte Ruhe für Gleichgiltigkeit und machte mir herzzerreißende Verwürfe. Es war ein schmerzlicher Abschied, wie es je einen gab, und schrecklich die Leere und Oede, welche darauf folgte. Ich ging zwar durch den Cyclus meiner Pflichten mit Gewissenhaftigkeit, auch gewährte mir diese Beschäftigung einige Erleichterung, aber ich war lange nicht im Stande, mich mit Ausdauer zu beschäftigen, so groß war meine Unruhe und Beklommenheit. Der jugendlichste Liebhaber hätte auf die Leidenschaft stolz sein können, die neben ihrem Feuer so