Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/158

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lauter und edel war. Seine Briefe, welche ich alle nummerirt hatte, waren meine einzige Lectüre, und meine Thränen flossen bei den zahllosen Beweisen von Anbetung, welche hieraus, wie aus den Gegenständen hervorgingen, womit er mich umgeben hatte. Schon vierzehn Tage nach seiner Abreise erhielt ich Nachrichten von ihm. Sein Schwager hatte zwar seine Frau zur Universalerbin eingesetzt, aber nichtsdestoweniger einen großen Theil seines Vermögens entfernten Verwandten in Legaten vermacht, mit gänzlicher Umgehung v. T.’s, weshalb dieser den Erben den Prozeß angekündigt hatte. Wir wechselten Briefe mit jeder Post, und seine Handlungsweise blieb unverändert dieselbe.

Ich hatte das Glück, bald bedeutende Verbindungen unter den höheren Klassen der Gesellschaft und somit viele Schülerinnen zu finden. Da diese alle in der Umgebung von Hyde-Park wohnten, meine Wohnung aber am entgegengesetzten Ende von London lag, so sah ich mich genöthigt, ein benachbartes Quartier zu suchen und miethete ein paar nette Zimmer in einem hübschen Hause am Stutfierd-Platz, wogegen meine Wirthin, Frau W., und ihre Tochter, anscheinend die anständigsten Personen von der Welt, meine Bedienung übernahmen. In diesem Hause begegnete ich oft einer jungen Dame, welche mich stets verbindlich grüßte und endlich Mistreß W. zu mir schickte, um mich zu bitten, ihr französischen Unterricht zu ertheilen. Auf meine Erkundigung nach der Dame sagte sie, es sei eine Kaufmannsfrau mit Namen Mistreß F., und empfahl sie mir zugleich sehr angelegentlich. Meine Zeit war jedoch schon hinlänglich besetzt, weshalb ich mich zu entschuldigen suchte; allein die Dame kam selbst und drang so lange mit Bitten in mich, bis ich endlich einwilligte. Ich fand in Frau F. eine höchst einnehmende und unterhaltende Gesellschafterin, die vermöge ihres unerschöpflichen Humors und einer eigenen Gabe, die englischen Dichter auswendig zu wissen, mich aufheiterte und anzog. Da ich mich während meines Aufenthaltes zu Hause mit Zuschneiden und Fertigung meiner Wäsche beschäftigte, so errieth sie, daß ich Braut war, und da ich noch eine gute Meinung von den Menschen hatte, so vertraute ich ihr meine Verhältnisse an.

Eines Tages sandte mir v. T. durch einen seiner Freunde, den Viscount de B., ein bedeutendes Kapital, angeblich, um bei mir eine Schuld abzutragen, im Grunde aber, um mich gegen Verlegenheiten zu schützen. Ich war entschlossen, dieses Geld nicht anzugreifen, und schloß