Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/16

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

stricken, worauf die französischen Uebungen folgten. Erst um acht Uhr Abends wurde nach einem äußerst frugalen Mahle eine Stunde spazieren gegangen. Als ein großes Glück mußte ich es ansehen, daß Fräulein, H., eine alte Sprachlehrerin, mich mit allem Eifer im Französischen unterrichtete, und da meine Tante diese Sprache ziemlich geläufig sprach, so brachte ich es darin bald zur ziemlichen Fertigkeit. Ein Hauptvortheil meiner Beziehung zu Fräulein H. bestand darin, daß sie mich in die Familien des Grafen K. und des Fürsten Basil G. einführte, wo ich im Umgange mit Gräfin Mathilde und Prinzessin Varinka feinen Ton lernte und trefflichen Unterricht genoß. Nebenbei gab es auch viele Vergnügungen, so daß diese Bekanntschaften meine Jugend nicht nur beglückten, sondern auch erheiterten. Die Fürstin G. wollte mich gänzlich in’s Haus nehmen, meine Tante lehnte dies jedoch ab, denn mein Umgang war ihr schon Bedürfniß geworden. Dabei erhielt ich auch manches werthvolle Geschenk von meinen hohen Beschützerinnen, so daß mein Glück alle meine Bekannten in Verwunderung setzte und meine geistige wie körperliche Entwickelung rascher von statten ging, als es außerdem geschehen sein würde. Und dies Alles dankte ich Fräulein H., die, wie meine Tante, ein altes hilfloses Mädchen war, das sich eigentlich selbst nicht helfen konnte. Wie rührend ist dieser Edelmuth der Armen gegen einander!

So waren fünf Jahre verstrichen, und es war mein Glück, daß ich sie gut angewendet hatte: denn da nun die Erziehung meiner jüngsten Schwester beginnen sollte, so mußte ich von jetzt an für mich selbst sorgen, obwohl ich eben erst confirmirt war.




Zweites Kapitel.




Man entschied sich, für mich eine Bonnenstelle zu suchen, was bei meiner großen Jugend nicht leicht war, obwohl ich in Sprachen, Musik und allen Nothwendigkeiten dieses Faches genug Fortschritte gemacht hatte. Meine Schüchternheit wurde durch ein hohes Salair beschwichtigt, welches mir der Hauptmann James G. und seine Gemalin für die