Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/170

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H. war der Letzte, welcher das Schiff verließ und mich beim Scheiden noch bat, seine Karte anzunehmen. Sein Abschied wie der seines Neffen glich demjenigen, welchen man von trauten Freuden nimmt. Ich sah ihm mit Rührung nach, bis er, von mehreren Personen umringt, in der Thüre seines Hauses verschwand. Der Wind erhob sich jetzt so heftig, daß wir uns genöthigt sahen, in unsere Betten zu flüchten. Man sagte uns, daß das Fahrzeug in Gefahr sei, gegen die sogenannten Barrièren von Oporto geschleudert zu werden, eine Felsenkette unter dem Wasser, die den Seefahrern bei Sturm sehr gefährlich ist und an welcher zahllose Schiffe zerschellen. Wir hatten indessen das Glück, der Gefahr zu entgehen, und bald war Luft und Meer ruhig genug, um uns einen Blick auf das schöne Cintra zu gestatten. Nichts ist reizender als dieses irdische Paradies mit seinem herrlichen Schlosse und freundlichen Villen auf der mit üppiger Vegtation bedeckten Felsenhöhe. Zwei Stunden später bot sich unseren Blicken das großartigste Schauspiel in Gestalt einer Hafenstadt, indem wir in die Mündung des Tajo einliefen. Außer der englischen Flotte, welche gerade mit ihren riesigen Kriegsschiffen im Hafen lag, sah man unzählige Fahrzeuge von den verschiedenartigsten Constructionen und Flaggen, und nichts vermag einen Begriff von dem lebhaften Verkehre zu geben. Zu unserer Linken spiegelte sich der umfangreiche Königspalast Belem mit seinen schönen Thürmen und Gärten in den Fluthen, und zu unserer Rechten erhoben sich die reizenden Anhöhen des gesegneten Algarbiens. Das Meer, das Land, die Stadt, alles schien mit dem Glanze des Himmels um den Preis zu wetteifern, so bunt und festlich erglänzte alles, was ich erblickte.

Wir legten am Zollhause an, wo, nachdem uns die Pässe abgenommen waren, unser Gepäck examinirt ward. Nachdem diese Qual überstanden war, ließen wir uns in einem Hotel am Kai nieder, wo wir sehr schöne Zimmer und vortreffliche Bewirthung fanden. Ich fand die Hitze hier unerträglich, denn mein Gemüthszustand erlaubte mir weder Erfrischungen noch Ruhe zu genießen. Da Frau St. schon Tags darauf nach Gibraltar abreisen wollte, um bei der ersten Entbindung ihrer Tochter gegenwärtig zu sein, blieb mir keine Zeit zu verlieren übrig, und ich entdeckte ihr deshalb die eigentliche Ursache meiner Reise, indem ich sie zugleich um Rath in meiner so delikaten Angelegenheit ersuchte. Mistreß St. rieth mir, meine Empfehlungsbriefe sobald