Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/173

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maß ich auch diesem Urtheile wenig Glauben bei; das Empfindlichste dabei war, daß v. T. dem scheußlichen Orden angehörte, dessen alleiniges Ziel die Knechtung der Menschheit ist. Davon hatte er mir nie etwas gesagt. Mit Schrecken erinnerte ich mich der Grundsätze und Handlungsweise dieser Brüderschaft, daß sie dem Eide irgend eine Bedeutung unterschieben, die ihnen gerade entspricht, ohne sich durch den Wortsinn verpflichtet zu fühlen, also im Grunde einer Schurken-Religion huldigen.

„Ist er verheirathet?“ fragte ich mit einer Stimme, die ich so fest wie möglich zu machen suchte.

„Nicht daß ich wüßte, aber seine Haushälterin hat sich während seiner Verbannung für seine Frau ausgegeben.“

Ich athmete freier, denn er hatte mich also im Hauptpunkte doch mit Wahrheit berichtet, und ich durfte hoffen, ihn auch im Nebenwerke weniger schuldig zu finden. Auf meine Frage nach dem Aufenthaltsorte v. T.’s schickte der Kaufmann einen Diener auf Erkundigung aus, der auch bald seine Adresse brachte. Er wohnte in Olumiares, einem Städtchen bei Lissabon, auf einem schönen Landsitz, der sein Eigenthum war. Ich wußte nun genug und verabschiedete mich, die Einladung der Dame des Hauses zum morgenden Diner ablehnend, denn mein momentaner Zustand war ein solcher, daß ich nicht wußte, ob ich überhaupt den morgenden Tag erleben, geschweige ob ich diniren würde. Ich fühlte einen Tumult in meinem Blute, der mich um mein Leben bangen ließ.

Ich faßte jetzt den Entschluß, v. T. zu überraschen, doch wollte ich des Anstandes halber nicht allein zu ihm gehen, und bat daher die Wirthin des Hotels, mir unsere alte Dienerin mitzugeben, worein sie sofort willigte. Zum Glück hatte ich ziemlich gut portugiesisch von meinem Liebhaber gelernt, was mir jetzt sehr zu statten kam. Der Weg von Lissabon bis Olumiares machte drei bis vier englische Meilen, die wir zu Wagen zurück legten, ich in einem Zustande, welcher durchaus keines Eindruckes fähig war. In Olumiares hielt der Kutscher und erkundigte sich nach dem Hause v. T.’s, worauf man uns nach einem netten, mit einem Garten umgebenen Landhause wies. Dort angelangt, ließ ich den Wagen auf der Straße halten und begab mich zu Fuße mit meiner Begleiterin an dem Eingang, wo ich die Glocke anzog. Bald darauf erschien eine Dienerin, welche mir auf meine Frage nach Herrn v. T. antwortete, dieser sei bei seiner sehr kranken Gemahlin.