Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/176

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durchlebt hat, denn obgleich ein Greis in physischer Beziehung, kommt ihm in geistiger doch kaum ein Jüngling gleich.

Hier überfiel mich eine neue Ohnmacht, und als mich die Arzneimittel wieder zu mir gebracht hatten, fuhren wir eilends in das Hotel zurück, wo mich eine allgemeine Lähmung überfiel. So war ich denn zu meinem Unglück nun auch außer Stande, Mistreß St… nach Gibraltar zu folgen. Was mich am meisten empörte, war v. T.’s Meineid und seine Aufforderung, zu ihm zu kommen, die offenbar in dem Wahne erlassen war, daß ich ihr unmöglich entsprechen könne. Ich fand diese Falschheit und Hinterlist so verächtlich, daß ich mir vornahm, auf ewig mit ihm zu brechen. Meine Krankheit erwies sich bald als ein heftiges Fieber, was ich nur durch die treue Pflege meiner Wirthin und Maria’s überstand. Kaum dem Tode entronnen, empfing ich einen Brief der Tochter von Mistreß St., worin sie mir meldete, daß ihre Mutter plötzlich an Herzkrankheit gestorben war. Dieser neue Schlag vernichtete die letzte Hoffnung, an welche ich mich geklammert hatte, und schleuderte mich wieder in ein Labyrinth von Angst und Sorgen, da meine Finanzen durch den langen, hier sehr kostspieligen Aufenthalt sehr geschwächt waren.

Während ich über meine Lage die traurigsten Ueberlegungen anstellte, meldete man mir eine Dame, welche mich zu sprechen verlangte. Ich ließ sie sogleich eintreten und war erstaunt, eine seltene Schönheit in den dreißiger Jahren mit zwei Kindern von sechs und sieben Jahren in der elegantesten Toilette vor mir zu sehen. Sie redete mich im feinsten Pariser Französisch an, sagte, daß sie von meinem Wunsche nach einer Anstellung als Erzieherin, von meiner Befähigung und traurigem Schicksale durch die Besitzerin des Hotels und einen Londoner Herrn gehört habe, der mich kenne und eben jetzt im Hause wohne. Hierdurch sei sie bewogen worden, mir die Stelle einer Gouvernante ihrer Kinder anzubieten. Ihre Karte nannte sie Madame D. Schließlich ersuchte sie mich, Tages darauf bei ihr vorzusprechen, was ich auch versprach. Ich hoffte, vorläufig einige Erkundigungen über diese Dame bei meiner Wirthin einzuziehen, allein das Haus war dermaßen mit Fremden angefüllt, daß ich dazu keine Gelegenheit finden konnte.

Am nächsten Tage ging ich zum ersten Male seit meinem Besuche in Olumiares wieder aus, bestieg aber auf Mariens Rath einen Omnibus, welcher Madame D.’s Haus passirte. – Wir begegneten einem