Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/18

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Gesandten und eine Anzahl vornehmer Persönlichkeiten bei G.’s gesehen, so würde ich sie für herumziehende Charlatans gehalten haben.

Als wir in die Rheinlande kamen, klärte sich der Himmel auf, aber ich war zu unglücklich, als daß sich mein Geist zu einer reinen Anschauung und Empfindung hätte erheben können.

In Brüssel gedachte Mistreß G. ihre Niederkunft abzuwarten, man miethete daher ein Haus auf dem Boulevard de Louvain und eine einzige Dienerin für den ganzen Bedarf. Hauptmann G. besorgte nach Art schäbiger englischer Gentlemen die Einkäufe für Küche und Haus, wobei es wieder unaufhörlich Händel wegen der Bezahlung gab. Eines Tages kam es zwischen ihm und einem Weinhändler zur Prügelei; der Herr Hauptmann behielt die Oberhand, indem er seinen Gläubiger die Treppe hinunterwarf, mußte dafür aber Strafe zahlen. Man fühlte sich hier sicher, denn mir wurden plötzlich Magddienste anbefohlen; allein obgleich noch nicht sechszehn Jahre alt, war ich doch fest entschlossen, mich nicht von dem Standpunkte stoßen zu lassen, auf den mich Gott und mein Vater gestellt hatten. Jetzt sah meine Familie ihre Leichtgläubigkeit zu spät ein, denn der Charakter dieser Leute war inzwischen in D** durch eine von ihnen gemißhandelte junge Engländerin bekannt geworden; die erste genaue Erkundigung hätte uns schon damals in’s Klare setzen können.

Auf Befehl der Lady verweilte ich täglich mehrere Stunden mit meiner Elevin im Park, wo ich vielen Zudringlichkeiten der herumschlendernden Herren ausgesetzt war; am meisten belästigte mich ein älterer Herr, der aber sofort bei Seite ging, wenn er der Guarde du Parc ansichtig wurde. Ein junger Mann mit sanft ernstem Gesicht und brustkrankem Ansehen kam mir fast alle Tage am Eingange des Parkes entgegen, hielt sich stets in meiner Nähe, ohne mir lästig zu werden, und zeichnete in ein Skizzenbuch. Dessen ungeachtet wurde mir unheimlich zu Muthe, als ich bemerkte, daß er mich oft verstohlen anblickte und tief erröthete, wenn mein Blick zufällig dem seinigen begegnete. Ich beschloß daher, den Park zu meiden und wählte einen schattigen Feldweg zum Spaziergange, der nach einer der schönsten Umgebungen der Stadt führte. Meine kleine Karoline war entzückt über die schönen Blumen, die sie hier pflücken durfte, und ich fühlte mich in dieser traulichen Einsamkeit unendlich wohler als in der Umgebung der Menschen. Eines Tages war ich beschäftigt, einen Kranz für Karolinen zu binden, als