Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/192

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Norden ruderten, das Ufer des Tajo zu gewinnen. Unsere Rettung dankten wir dem Umstande, daß ich mein Reiszeug, welches ich auf Exkursionen stets bei mir führe, vorher nicht aus der Tasche gelegt hatte. Wäre dieses der Fall gewesen, so waren wir alle die Speise der Meerungeheuer. So einfach und natürlich ich meine That auch fand, so überhäufte man mich doch mit Dankesrufen und Lob, ja bald sah ich mich im Besitze des unumschränkten Vertrauens von Madame D.

Einige Tage später empfing ich einen Brief von Lady H., in welchem sie mir ein Verzeichniß derjenigen schickte, welche versprochen hatten, mich als Lehrerin anzunehmen, darunter Mistreß L., Frau v. K., Gemahlin des schwedischen Gesandten, die Herzogin von P., die Gräfinnen P. und R., Donna d’A. und Donna Maria B., nebst den betreffenden Adressen. Zugleich rieth mir meine edle Beschützerin, diese Damen aufzusuchen, weshalb ich mich sogleich auf die ceremoniösen Besuche vorbereitete und für den folgenden Tag ein Cabriolet miethete, dessen man sich in Lissabon allgemein bedient. Die Etiquette verbietet hier streng, einen Besuch zu Fuße abzustatten.

Bei Tafel erzählte man als wichtigste Tagesneuigkeit, daß die Königin dem vom Volke vergötterten Herzoge von Palmella das Staatsruder genommen und in die Hände des verhaßten Costa Cabral gelegt habe, weshalb ein panischer Schrecken herrschte. Auch in unserem Kreise wurden Befürchtungen laut, welche durch die neuere Geschichte Portugals hinlänglich berechtigt waren. Dazu kam ein ängstliches Laufen und Rennen der Menschen, Gruppen bildeten sich auf den Plätzen und Straßen, starke Patrouillen rasselten durch die Stadt, bei deren Erscheinung das Volk in allen Richtungen floh – kurz, wir konnten keinen Augenblick in Zweifel sein, daß wir auf einem vollständigen Vulcane standen. Am nächsten Morgen hatten wir denn auch eine Revolution mit allen ihren Schrecknissen und Verwirrungen. Die Liberalen hatten sich in Bataillone formirt und das Militair wüthend angegriffen, waren jedoch zurückgeschlagen worden. Man konnte das Krachen der Gewehr-Salven und Kanonenschüsse ganz deutlich hören. Die Liberalen hatten sich bald verstärkt und ihren Angriff mit größerem Nachdruck erneuert, sie bemächtigten sich sogar einiger Plätze, und während einiger Stunden blutiger Gefechte und unaufhörlicher Angriffe schwankte der Sieg zwischen beiden Partheien. Endlich behauptete die königliche zwar den Platz, aber den Sieg hatte sie noch keinesweges errungen, denn die Liberalen