Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/195

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meine Schwester und wohnt nicht weit von hier in der Calle Santa Maria.“

Jetzt freute ich mich über den Zufall, der mich einer früheren Bekanntschaft auf einmal wieder näher führte. Vor vier bis fünf Jahren nämlich war ich eines Tages im Spätherbst von einer gestrandeten Schmuggler-Familie Spaniens an der Küste von Leicester angesprochen worden. Sie hatte ihr Schiff verloren und war in einem hilflosen Zustande, der mich tief rührte, und diesem Gefühle folgend, hatte ich die schöne Antonia, die Gattin des Schiffseigenthümers, und ihre Kinder mit warmen Kleidern und einigem Gelde versehen, ihnen auch von der guten Mistreß S. eine bedeutende Unterstützung verschafft. Ich hatte mich verschiedene Male mit der interessanten Frau unterhalten und ihre Lebensgeschichte dabei erfahren. Antonia war die Tochter eines wohlhabenden Bürgers zu Cadix und hatte sich gegen den Willen ihrer Eltern mit Don Estevan D., einem Schiffsbesitzer und Schmuggler, verheirathet. Ihre Liebe zu diesem wie zu ihren drei kleinen Knaben, deren ältester beim Schiffbruche das Bein gebrochen hatte, grenzte an Abgötterei, welche durch die Schönheit aller vier auch wirklich begreiflich und gerechtfertigt schien. Antonia scheute sich, an die Ihrigen zu schreiben, sie zog es vor, mit ihrer Familie nach London zu reisen, wo ihnen durch Vermittelung der spanischen Gesandtschaft freie Rückreise zu Theil ward. Nach einiger Zeit traf ich auf eine andere Gadatina in Oundel, welche einen englischen Soldaten, der bei ihren Eltern im Quartier gelegen, geheirathet und mit ihm, als die englischen Truppen den constitutionellen Thron Isabellen’s befestigt, die Heimath verlassen hatte. Auch diese war bildschön und noch jünger als Antonia; sie ging in Oundel herum und suchte sich durch künstliche Haarflechterei Geld zu erwerben, auch für mich flocht sie ein Armband von den Haaren meiner jüngeren Schwester. Das schöne Weib hatte eine kindische Freude, als ich spanisch mit ihr sprach, und ich erzählte ihr natürlich die Geschichte von Antonia D. Wie groß war aber mein Erstaunen, als sie ihre niedlichen Hände faltete und ausrief: Ay mi dios, es mi prima - „ach Gott, das ist meine Muhme!“ - An dieser wie Antonien entdeckte ich einen höchst liebenswürdigen und edeln Charakter, weshalb ich es mir zum Vergnügen machte, ihnen nach Kräften zu helfen, für sie zu vermitteln und mit ihnen zu verkehren, hatte aber die Betrübniß, zu bemerken, wie wenig Theilnahme der unglückliche Fremde bei den Engländern