Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/197

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sich in einem besonderen Flügel, und die Zellen der Wahnsinnigen liegen in der Peripherie eines mit Bäumen und Springbrunnen geschmückten Gartens. Hier giebt es eine Menge getrennte Wohnungen für Familien, Ehepaare, zwei Schulen für Waisenkinder beiderlei Geschlechts, einen Arbeitssaal für Mädchen, worin sie von Lehrerinnen unterrichtet werden, Werkstätten zur Unterrichtung der Knaben, Arbeitsäle für Männer und Frauen, Kranken- und Schlafsäle für jedes Geschlecht, Spielplätze und eine Kapelle. In jedem Saale sprudelt ein frischer Brunnen, und überall herrscht die größte Ordnung und Reinlichkeit.

Sehenswerth wegen ihrer schönen Bilder ist die einfache Kirche des ehemaligen Kapuzinerklosters, zu deren vorzüglichsten zwei Murillo’s gehören. Eines stellt den heiligen Franz von Assisi vor, in dessen verklärtem Greisengesicht alle Schmerzen und Kämpfe eines vielgeprüften Lebens sich malen. Das andere ist die Vermählung der heiligen Catalina, letztes Werk des Meisters, welches zugleich seinen Tod veranlaßte. Als er es nämlich vollendet hatte und einige Schritte zurück trat, um vom richtigen Punkte aus einen letzten Kennerblick darüber zu werfen, stürzte er vom Gerüste, verletzte sich so schwer, daß er sich nach Sevilla schaffen ließ und daselbst nach sechsmonatlichem Krankenlager starb.

Die Damen von Cadix (Gadatinas) sind ihrer Schönheit und Anmuth wegen mit Recht berühmt, aber auch die Männer stehen keinen an Schönheit, weltmännischer Bildung und Ritterlichkeit nach, und ich muß gestehen, daß ich kein Volk des paradiesischen Landes und Klima’s würdiger finde, als das spanische. Höchst interessant ist es, die Cadixaner auf der Alameda, im Theater und in der Kirche zu sehen und zu beobachten, überall erscheinen sie geistreich, pikant, kunst- und prachtliebend, und ihre unverkennbare Gutmüthigkeit macht den Aufenthalt unter ihnen für den Fremden äußerst angenehm. Nachdem wir die Stadt und ihre vorzüglichsten Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen hatten, verließen wir nach einem zärtlichen Abschiede von Antonien und ihrer Familie, überhäuft mit Aufmerksamkeiten, Cadix und seine Bewohner mit dem allerbesten Vorurtheil, indem wir uns auf einem Guadalquivir-Dampfer einschifften. Wir fuhren seine meist uninteressanten Ufer entlang, gingen jedoch in San Juan de Aznalfarage an’s Land, um die hier anmuthige Gegend zu genießen, worauf wir uns auf einem Correo nach Sevilla begaben. „Arra! arra!“ rief unser Fuhrmann seinen triefenden Maulthieren zu, als wir