Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/20

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gegen die Willkür meiner Herrschaft nicht schützen könnten, falls ich keinen schriftlichen Contract aufweisen könne. Mein junger Freund bot mir sofort eine hinreichende Summe Geldes zur Rückreise an, allein mein Gefühl sträubte sich, ein solches Opfer anzunehmen, und ich lehnte es mit Festigkeit ab. Karl empfahl mich an Madame D., eine Agentin, die sich bereit fand, mir eine anderweite Condition zu verschaffen, aber auch offen erklärte, dies würde schwierig sein, und zwar wegen meiner großen Jugend, wegen meines kränklichen Aussehens, eine Folge unaufhörlicher Quälereien, und weil mir außerdem meine Herrschaft gewiß ein gutes Zeugniß versagen würde. In dieser trostlosen Lage bewährte sich die Philosophie des Christenthums an meinem Herzen; das Gebet war meine einzige Stärkung, ich lernte jetzt verstehen, was Faust mit den Worten ausdrücken will:

„Und ein Gebet war brünstiger Genuß!“

Karl hatte meinetwegen seine Reise aufgeschoben und fuhr, trotz meiner Vorstellungen, unermüdet fort, mir schützend zur Seite zu stehen. Nie hat ein schöneres und idealeres Verhältniß zwischen Jüngling und Jungfrau stattgefunden, ganz auf Religion, Philosophie, reinste Zuneigung und Sittlichkeit gegründet. Jetzt nahete eine Katastrophe, wo es zu meiner Rettung gereichte.

Frau G. war von einem zweiten Mädchen entbunden worden und machte einen neuen Versuch, mir geringe Dienste aufzubürden, der aber wieder an meiner Entschlossenheit vollständig scheiterte; in Folge der unzähligen Aergernisse jedoch, die ich nun fünf Monate getragen hatte, verfiel ich in ein Gallenfieber. Einige Tage schwebte ich in Lebensgefahr, und nur durch Anwendung drastischer Mittel gelang es dem Arzte, mich zu retten. Als ich zu genesen anfing, erklärte er, daß ich der Ruhe und Pflege dringend bedürfe, sehr geschwächt sei und meine vollständige Wiederherstellung eine sehr langsame sein werde.

Ich hütete noch das Bett, als Frau G. eines Tages in mein Zimmer trat und mir sagte, daß sie genöthigt seien, nach Paris abzureisen und mich soeben bezahlen wollten. Bei diesen Worten legte sie ein Papier mit Geld auf mein Bett und entfernte sich, ohne mich anzuhören, mit ihrem gewöhnlichen ironischen Lächeln und einer vornehmen Kopfbewegung. Das Geld war wieder ein Drittel meiner Forderung; dazu fiel mir jetzt ein, daß ich weder ein Zeugniß noch einen Paß hatte, weil ich mit in dem Passe meiner Prinzipalität aufgeführt war. Dieser Gedanke