Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/204

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158 Fuß hohe Gewölbe. Das hohe Chor, welches wie in vielen spanischen Kirchen in der Mitte steht, beeinträchtigt jedoch den Anblick dieser großartigen Structur um vieles. Diese Kathedrale hat viele Beschädigungen und Verluste erlitten, worunter der Einsturz der drei Hauptbogen im Jahre 1512 gehört, welcher den schönen Altar mit seinen zierlichen Marmor-Basreliefs und die meisten bunten Glasfenster beschädigte. – Hier sind die Pfeiler ebenfalls, wie bei den Arabern, zusammengesetzt, was ihnen den aufstrebenden, kühnen Charakter raubt, der sich in den reingothischen Kirchen kund giebt. Das Kapitelhaus schließt sich an die Facade an und ist zwar neu, aber geschmacklos.

Es giebt hier Reliquien, worunter sich der Mantel des heiligen Ferdinand III. besonders großer Verehrung erfreut; da man aber viel Umstände machte, uns den frommen Plunder zu zeigen, so verzichteten wir ohne Thränen auf diesen Genuß. – Neben dem Hauptthore befindet sich ein Altar und über diesem ein Gemälde von Murillo, den jungen Tobias und seinen Schutzengel darstellend. Es spricht sich das Vertrauen der unbefangenen Unschuld unendlich wohlthuend in des Jünglings Zügen aus und man fühlt, daß der Maler selbst ein kindlich frommes Gemüth sein mußte. Der Engel ist eine weiche, liebliche Gestalt mit einem Gesicht, in welchem sich Wohlwollen und Liebe aussprachen; das Ganze fesselt durch seine Farbentöne und Auffassung der Geschichte. Einen starken Contrast zu diesem und anderen Werken des großen Meisters bildete nach meiner Ansicht sein heiliger Antonius von Padua in der Taufkapelle, welchem das Christuskind von Engeln umgeben erscheint und vor dem er niederknieet. Wie er auf die Idee kommen konnte, eine Vision in eine ovale Scheibe hineinzuschieben, kann ich mir nur durch den Horazischen Vers erklären: Aliquando dormitat bonus Homerus. – Vor dem Chore sieht man noch die Grabschrift des Columbus, die alles ist, was man dem Andenken des großen Mannes widmete und welche lautet:

A Castilia y Arragon
Otro Mundo dio Colon.

Sein Leichnam ward später in die neue Welt gebracht.

Dann zeigte man uns ein Madonnenbild, welches 1100 Jahre alt sein soll, auf eine alte gothische Wand gemalt und so oft restaurirt ist, daß man nicht weiß, ob seine Anmuth dem ursprünglichen Schöpfer oder den späteren Restauratoren zu danken ist. Das Bild selbst wie