Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/205

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auch seine Einfassung gehört zu den bewundertsten Gegenständen der Kirche.

In der schönsten Kapelle, welche dem Apostel Petrus gewidmet ist, befindet sich ein Gemälde des spanischen Malers Zurbaran, welches das Oberhaupt der katholischen Kirche im päpstlichen Ornat, auf der einen Seite als Jünger, auf der andern als Apostel darstellt. Der Eindruck ist so überwältigend, daß auch ein protestantisches Gemüth ihm nicht widerstehen kann. Im oberen Theile des Gemäldes ist eine Madonna, welche sehr oft als eine der schönsten gepriesen worden ist, aber die Hauptfigur ist der Papst, mit einem Ausdrucke mystischer Weihe, Kraft und Würde. Dabei ist die Farbe fein und kräftig, die Linien schön, das Ganze harmonisch gestimmt.

Wir sahen noch manche schöne und auch unbedeutende Bilder, deren Beschreibung ich unterlasse, denn wenn das Gemälde nicht unwiderstehlich dazu treibt, so wird die Schilderung gewiß erst recht überflüssig erscheinen.

Nach der Tafel begaben wir uns wieder in das Patio oder Hof, von dem aus wir die Vorübergehenden durch eine schöne Gitterthüre sehen und auch von ihnen gesehen werden konnten. Ich nahm hier Gelegenheit, mit unserer Wirthstochter, der schönen Dolores, zu sprechen, die sich mit Stickerei beschäftigte. Ich erzählte ihr, durch welchen sonderbaren Zufall ich in Cadix zwei bekannte Spanierinnen wiedergefunden hatte, und wie viel Freude sowohl sie wie ich darüber empfunden. Als D. den Namen des Hotels und den meiner Bekannten vernahm, rief sie die Hände faltend aus: Jesus, Maria und Joseph, das sind alles meine Verwandten! und nun mußte ich ihr den ganzen Hergang der Geschichte erzählen. Sie ward hierauf sehr zutraulich und mittheilend gegen mich, und gestand mir, daß ein großer Kummer an ihrem Herzen nage. Ein junger englischer Offizier in spanischen Diensten, welcher dort einquartirt gewesen war, hatte ihr Herz gewonnen, obwohl er ihr von Anfang an durch seine Flatterhaftigkeit viel Kummer bereitet; seitdem er aber abgereist war, hatte er ihr trotz seines Eheversprechens noch nicht ein einziges Mal geschrieben.

Sie weinte bitterlich und ich hatte den Schmerz der Selbstverspottung zu tragen, denn was würde D. gesagt haben, wenn ich ihr an den Busen gestürzt wäre und gerufen hätte: Weine mit mir, denn auch mich hat ein Treuloser verrathen, nämlich der siebenzigjährige Herr v. T.!