Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/236

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hellbeleuchtetes Amphitheater vor uns, die Fenster der Häuser und Kirchen blickten uns wie Augen ängstlich flimmernd nach, und außerhalb des Hafens ging die See schon so hoch, daß das Spazieren auf dem Decke unmöglich war. Gegen acht Uhr erhob sich ein starker Südwestwind und auf dem Schiffe entstand plötzlich eine lebhafte Bewegung, denn der Capitain donnerte einen Befehl nach dem anderen durch das Sprachrohr, die Segel wurden gerefft und das Steuer gewendet. Das Boot arbeitete sich wüthend durch die brüllenden Wellen gegen Süden, jetzt auf die Spitze eines solchen Wasserberges, der sich wie ein rasend gewordener Leviathan bäumte, hinaufschießend, als wolle es das Ungeheuer am Kopfe niederreißen, jetzt in den Abgrund wie ein Geier aus der Luft hinabstürzend, so daß der Schlot aus einer horizontalen Lage in die andere fiel und man die Macht des Gleichgewichtes bewundern mußte, die das Schiff vor dem Umschlagen bewahrte. Wir krochen ganz durchnäßt von Seewasser in unsere Cajüte, und Madame D. gelangte mit größter Mühe in ihre Coje. Das Wimmern und der Geruch waren hier aber so furchtbar, daß ich eben wieder hinauf krabbeln wollte, als ich zu Boden geschleudert ward und ein dumpfes Brausen und entsetzliches Durcheinander schreiender Stimmen entstand. In der Kajüte schrieen Alle: „Wir sind gestrandet, wir sind verloren!“ und einige Passagiere wälzten sich aus ihren Cojen, andere schrieen und rangen die Hände. Sobald ich mich aufgerafft hatte, kroch ich die Treppe hinan, eine Sturzsee rollte über das Deck und überschüttete auch mich, während ein Matrose herabeilte und bei einem Haare mich die Treppe hinunter geschleudert hätte. Das Schiff schwankte entsetzlich hin und her, ohne sich jedoch vorwärts zu bewegen, und auf dem Verdeck war ein fürchterliches Hin- und Herlaufen, lebensgefährliches Umherrollen schwerer Lasten und Schreien zahlloser Stimmen. Ich hielt mich am Treppengeländer an, von wo aus ich ein schreckliches Schauspiel beobachten konnte. Ein kleiner Kutter war gegen unser Schiff geworfen worden, hatte das Steuer verloren und war jedenfalls rettungslos, denn die Peninsula hatte beigelegt und man war soeben bemüht, die Schiffbrüchigen an Kabeln auf unser Deck zu ziehen. Der Capitain des Kutters beschwor den unsrigen, wenigstens einen Theil seiner Ladung mit an Bord zu nehmen, aber schon lösten sich die Planken seines Fahrzeuges, das Wrack entglitt den Grappeleisen, der Capitain sprang mit einem Tau um den Leib in See, ward aber sogleich durch die donnernden Wogen zurückgerissen, worauf