Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/253

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weit zurückstehe und demungeachtet die Sonne war, welche bei ihrem Erscheinen sogleich umkreist ward von einer Schaar großer und kleiner Planeten.

Die Schwestern des Herrn G. erzählten mir kurz vor ihrer Abreise, daß ihr Bruder nur in früher Jugend einmal geliebt, jetzt aber, in seinen späteren Jahren, zu ihrer großen Freude wieder von einer tiefen Leidenschaft ergriffen sei. Sie sahen mich bei diesen Worten so bedeutungsvoll an, daß ich über den Gegenstand der Neigung des Herrn G. kaum noch in Zweifel sein konnte, aber doch aus weiblicher Neugierde und Eitelkeit die Frage nicht unterdrücken konnte: Wen liebt Ihr Herr Bruder, wenn man fragen darf? In diesem Momente erschienen in einiger Entfernung meine Eleven und die älteste Miß G. sagte nur noch: Versprechen Sie, uns in den nächsten Ferien zu besuchen, bis dahin wissen Sie genug! Weiter konnten wir nichts sprechen, die Geschwister G. nahmen einen herzlichen Abschied von mir, welcher der Familie R. wieder nicht zu behagen schien, und gleich nachher reisten auch Cor und Julius ab. Ich athmete tief auf, aber gleich nachher theilte mir Mistreß mit, daß ihr Bruder Julius die ganze Familie auf seinen Landsitz am Windermoore-See in Westmoreland eingeladen habe und ich von der Parthie sein solle, weshalb ich meine Vorkehrungen schleunig treffen möge, denn die Reise solle demnächst angetreten werden.

Mir klopfte das Herz heftig, denn ich erwartete nichts gutes von diesem Ereigniß, ich verwünschte das Schicksal, das mich aus einem Strudel in den anderen warf, und meine Individualität, welche gegen meinen Willen die mächtigsten Elemente in Bewegung setzte. Zwei Tage später traten wir unsere Reise auf der Eisenbahn über London an und trafen Abends spät auf W…-H…, dem prächtigen, schloßähnlichen Gebäude, ein, von welchem Julius als Besitzer nebst seiner Mutter die Honneurs machten und wo jener mich mit so auffallender Zärtlichkeit empfing, daß der Verdacht der Familie sogleich wieder mächtig angeregt ward. Meine Schülerinnen sagten mir noch denselben Abend, Julius habe sich erboten, die sämmtlichen Reisekosten zu tragen, man wisse aber schon, wem dies alles gelte. Mir schlug das Herz vor Sorge und Erwartung, die Leidenschaft dieses Jünglings konnte mich unter diesen Menschen höchst unglücklich machen. Nachdem ich meine Reisekleider abgelegt hatte, führten mich meine Schülerinnen in den glänzend erleuchteten Speisesaal, in dessen Mitte die Tafel stand, welche unter