Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/254

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Speisen und Silber und Wein hätte brechen mögen. Bald darauf erschienen die zahlreichen Familienglieder, darunter noch ein verheiratheter Bruder der Mistreß R. mit seiner Frau. Alle Anwesenden waren fröhlich, keine Fessel drückte, das Ganze hatte den lieblichen Charakter eines Familienfestes. Ich hatte die besondere Ehre, neben dem Herrn des Hauses zu sitzen, welcher sich bemühte, mich meine Fremdheit und Stellung in der Familie vergessen zu machen. Da am anderen Morgen meine Eleven noch schliefen, als ich längst angekleidet war, so ging ich in’s Freie, um die berühmte Gegend zu sehen. Aus der Halle trat ich auf einen Perron, von welchem aus das Auge unmittelbar auf schöne Laubgänge, Baumgruppen und Blumenparthieen fiel. Rechts erhoben sich waldige Berge, und links schlängelte sich der Park hinab, bis er sich außerhalb des Thores mit der Straße vereinigte. Links um die Ecke biegend, befand ich mich auf der Terrasse, welche das Haus von zwei Seiten umgiebt. Hier bot sich mir eine höchst angenehme Ueberraschung dar. Tief unter meinen Füßen lag der große Landsee Windermoore, von hohen Bergen umschlossen, auf deren Gipfeln man hin und wieder ein schönes Schloß, und an deren Abhängen man hier und da eine malerische Villa erblickt. An dem östlichen niederen Ufer ragten die zierlichen weißen Häuser des Dorfes A… aus dem lachenden Thale zwischen schönen Gärten und Bäumen hervor, hier und da lief eine mit üppigem Baumwuchs bedeckte Schlucht landeinwärts. Die dunkeln Berge, deren Schatten im Spiegel des krystallenen Sees zitterte, bildeten einen schönen Contrast zu den von der Morgensonne erleuchteten, und erfreueten das Auge durch ihre bunten Lichter. Auf der Terrasse standen schöne Pflanzen und Blumen, die mit ihrem Dufte die reine Luft erfüllten. Das Haus, der Park, die Anlagen, alles war malerisch und sinnreich, aber traurige Erinnerungen zogen durch meine Brust und erfüllten mich mit tiefer Wehmuth.

Sobald ich in das Schulzimmer trat, fand ich gewöhnlich Julius auf mich wartend, seine Besuche daselbst wurden immer häufiger, und so ehrbar auch sein Betragen stets gegen mich war, so verrieth es dennoch sein Motiv unverkennbar. Daneben beging er die Unvorsichtigkeit, daß er mir durch seine Nichten bisweilen Aufträge schickte, die allzusehr nach Zärtlichkeit schmeckten, als daß sie nicht hätten Aufmerksamkeit erregen sollen. Die Folge davon war, daß die Ueberbringerinnen die zielendsten Glossen darüber machten. Die Schwierigkeiten meiner Lage