Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/255

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und meine Sorgen, wie der Haß der Familie wuchs nun täglich, obwohl dieser sich noch vor Julius verbarg. Julius hatte durch Vermögen, Bildung und Schönheit die glänzendsten Ansprüche, die vornehmsten und schönsten Mädchen der Umgegend suchten ihm zu gefallen und ich Arme war der Gegenstand ihrer Eifersucht, durch welche sich die jüngste Tochter des Rectors zu R… und ihre verheirathete Schwester, Frau M., besonders hervorthaten.

Die Gegend von Windermoore war von jeher der Lieblingsaufenthalt der englischen Dichter, Romantiker, Maler und der ausgewählten Gesellschaft überhaupt, und zwar wegen ihrer pittoresken Schönheiten und milden Klimas. Ein wunderniedliches, glänzend weißes Häuschen, welches wie ein Vogelnest zwischen hohen Felsenklippen hängt und D… genannt wird, war die Wohnung der frommen Dichterin Hemanns, und beinahe jedes Haus erinnert sich, eine Berühmtheit beherbergt zu haben. Eines Tages wurde ich dem gekrönten Hofdichter (Poet laurent) Wordsworth vorgestellt, welcher ein poetisches Häuschen auf Bergeshöhen bewohnte. Es war ein hoher Greis mit einem durchgeisteten Angesicht, in welchem sich eine tiefe Schwermuth aussprach. Er hatte vor Kurzem seine Tochter verloren und lebte seitdem ganz zurückgezogen. Bei den häufigen und glänzenden Diners, welche auf W.-H. stattfanden, war stets der Rahm der dortigen Gesellschaft versammelt, und wahrhaft magnificent zeigte sich hier die Gastfreundschaft des Hausherrn, die mit den Delicatessen aller Länder besetzte Tafel hätte einen Monarchen befriedigen müssen. Ihren gründlichsten Kenner fand sie denn auch in Herrn R., dessen ausgebildetstes Organ der Magen war. Da Frau B., die Mutter des Eigenthümers, als Hausfrau galt, so fehlte es auch an Damen nicht, besonders aber lud sie die ausgesuchtesten Mädchen ein. Doch auch in ihrer Gegenwart brachte mir Julius Huldigungen dar, die mich in die äußerste Verlegenheit versetzten und auf die arme Erzieherin den Haß der aristokratischen Frauenwelt lenkten. – Alle meine Bemühungen, den jungen Thoren zur Besinnung zu bringen, blieben fruchtlos. Nach Tische, wenn sich die Damen in den Salon begaben, während die Herren nach englischer Sitte beim Glase weilten, mußte ich die Unterhaltung leiten, weil Mistreß R. nicht das geringste Talent dazu besaß. Mit den Herren kam neues Leben in die Gesellschaft, aber dann nahm der Hausherr wieder mein musikalisches Talent in Anspruch, was Beides wieder die Scheelsucht seiner Mutter und