Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/28

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Die Hauswirthin declamirte fort: „Jene Frauen können sich vor den Galanterieen ihres Herrn eben so wenig wie Sie sich selbst schützen, das weiß die Welt – es ist als ob man den Vogel zur Katze setzte. Wenn der General den Ruf eines Heiligen hätte, so bleibt er ein Mann und Sie ein junges Mädchen, und da Ihr Vater Ihnen verwehrt, an’s Theater zu gehen, wird er Ihnen dann erlauben, eine Stelle bei einem Wittwer anzunehmen? Wenn Ihnen an Tugend und Ruf etwas liegt, so geben Sie das Engagement sofort wieder auf und nehmen Sie dasjenige an, welches ich Ihnen ausgemacht habe! Sie sollen eine liebenswürdige englische Dame über den Kanal begleiten und dort die Kinder ihrer Schwester erziehen. Wenn Sie wollen, so führe ich Sie hin, denn in zwei Tagen reis’t sie schon ab.“

Diese wohlgemeinten, aber unverständigen Vorstellungen machten auf mich einen so tiefen Eindruck, daß ich mich bereit erklärte, mein glänzendes Engagement beim General v. H. aufzugeben, zugleich bat ich, mich zu der britischen Dame zu führen und mir vorläufig alle Nachrichten, die sie über dieselbe besitze, mitzutheilen.

„Ich habe sie durch den englischen Arzt Dr. P… kennen gelernt; sie ist eine Miß H., deren Mutter bedeutende Güter in Herfordshire besitzt und eines vortrefflichen Rufes genießt. Die Kinder, für welche Fräulein H. eine Gouvernante sucht, gehören einer in Westindien verheiratheten Schwester, welche sie ihrer Mutter zur Ausbildung nach England geschickt hat. Fräulein H. ist eine höchst liebenswürdige und distinguirte Dame, in deren Nähe Sie sich schon glücklich fühlen werden.“

Die nächste Viertelstunde fand uns auf dem Wege, um die Dame aufzusuchen. Wir fanden sie in einem schönen Hause vor dem Löwener Thore, wo sie mit ihrem Bruder bei einer deutschen Familie Namens R… zum Besuche war. Sie machte einen sehr günstigen Eindruck auf mich, ihre Formen waren einnehmend, die Art und Weise ihres Prüfens verrieth viel Geist und hohe Bildung, und da die reiche Familie R… die fragliche Stelle als eine höchst annehmbare pries, so schloß ich ab und war durch das Einstürmen der vielen Menschen so außer Fassung gebracht, daß ich eigentlich sehr unvortheilhafte Bedingungen erhielt. Ich sollte nämlich jährlich nur vierzig Pfund erhalten und während der Freistunden meiner Zöglinge noch feine weibliche Arbeiten fertigen. So schmutzig sind die Engländer gegen Diejenigen, denen sie ihr Liebstes anvertrauen; wie mögen sie erst gegen Andere