Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/29

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sein! So benutzte man meine kindische Unerfahrenheit und gab mir dazu nicht einmal eine schriftliche Sicherheit. Denn als ich sie verlangte, schrieen wieder Alle im Chore das Lob der H., schützten Zeitmangel vor, priesen mein Glück in allen Tonarten und sagten, daß ich am nächsten Morgen früh sechs Uhr am Postgebäude schon eintreffen müsse, es sei keine Minute zu verlieren – kurz, ich wurde wie Basilio im Barbier von Sevilla zur Thüre hinausschwadronirt. Zu Hause mußte ich unverzüglich an General v. H. schreiben und ihm seinen wirklich großmüthigen Contract mit zimperlichen Finessen zurückschicken, anders litt es meine Beschützerin, ebenfalls eine Britin, durchaus nicht. Sie ist entweder eine große Närrin oder eine große Egoistin gewesen; ich weiß es heut noch nicht, geschweige damals. Ich ging auch noch persönlich zu Madame M…n, die meine Erzählung erstarrt anhörte und mich dann mit Vorwürfen über meine Thorheit überhäufte. Es gelang mir nicht, sie zu versöhnen, was mich doppelt unglücklich machte, allein meine streng religiöse Erziehung hatte im Vereine mit den Scrupeln der erwähnten Art meinen natürlichen Scharfsinn hier ganz gefangen genommen; ich dachte nicht einmal daran, mich auf die Entscheidung anderer Freunde zu berufen. Zunächst eilte ich zu Madame D., die meinen Bericht und Abschied kalt empfing, ohne mir zu rathen, und so hatte ich auf einmal zwei Freundinnen ohne allen Ersatz verloren. Ich ging eilig nach Hause, um einzupacken und meinen jungen Freund zu sprechen, dessen Meinung freilich zu spät eintraf. Er erschrak zu meiner Verwunderung heftig über mein Vorhaben und erkundigte sich genau nach allen Umständen; als er erfuhr, daß mir ein schriftlicher Contract versagt worden war, rieth er mir, davon abzustehen. Er bestand darauf, mit mir zu H. zu gehen und auf eine schriftliche Bedingung zu dringen, allein die Familie R… empfing uns und bedauerte, daß Jene ausgefahren seien. Ich hatte Gelegenheit, Karls Klugheit und Umsicht zu bewundern, er gab sich für einen jungen Juristen aus und erklärte, daß er mich ohne Erfüllung meines ganz gerechten Wunsches unmöglich zur Abreise ermuntern könne. Man versicherte uns nun zwar alles Guten, bemerkte aber dabei, daß die H’s. vor Abend nicht wiederkehren würden, wo es zur Aufsetzung eines Vertrages zu spät sein würde. Karl blieb bei seiner Ansicht und verließ mich mit dem Versprechen, später wiederzukommen.