Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/289

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Zwergbaum-Gruppen angebracht waren. Rechts von demselben erhob sich ein sanfter Berg, den ein herrlicher Baumwuchs und Schattengänge zierten und der sich am fernen Horizonte an verschiedenfarbig schattirte Berggipfel anschloß. Von der andern Seite blickte man über die Rasen-Abstufungen der Terrasse vor dem Schlosse in das schöne Thal hinab, wo ein hastiger Felsbach munter dahin rauschte, sein Wasser an mächtigen Steinblöcken hier und da melodisch brechend. Einige Schritte davon erhob sich eine malerische Bergwand mit Bäumen bedeckt, und unter der Terrasse führte ein schöner Fahrweg links nach S…, rechts nach dem Schloß und Park des Herzogs von B… Die Gegend war wunderschön, trotzdem daß ein grauer Nebel die Sonne umflorte; was mußte sie erst sein, wenn die Luft rein und durchsichtig war. Nachdem ich mich nach allen Seiten umgesehen, führte mich M. vor ein großes Landschaftsgemälde, aber ehe ich ihm folgte, fielen meine Blicke auf ein herrliches Frauenbild in Lebensgröße; die Umrisse der reizenden Gestalt wurden durch den reichen Faltenwurf eines schwarzen Atlaskleides trefflich hervorgehoben, der edelgebogene Hals, der kühn gewölbte schneeige Busen und die schönen Arme waren mit Edelsteinen geschmückt. Um das blühende, durchaus edle Gesicht flossen reiche schwarze Locken bis auf die Schultern herab, und vom Scheitel bis zu den Knieen wallte ein schwarzer Schleier, der der süßen Erscheinung etwas Fremdartiges, Geheimnißvolles verlieh. Ich blieb entzückt davor stehen und rief: „Ach, wie schön, wie lieblich!“

„Es ist Mama!“ riefen alle Kinder zugleich mit sichtbarem Stolze. Herr M. stand vor einem andern Bilde und sagte, indem er auf einen Ritter zeigte, der mit grimmiger Miene auf einen andern Reiter mit wallendem Federbusche den Karabiner anschlägt: „Sehen Sie, dieses ist mein Ahnherr, derjenige M., welcher seine Rechte mit dem Schwerte gegen den König Jacob II. von Schottland behauptete; dieses Bild stellt den Moment dar, wo er, von jenem verunglimpft, auf ihn schießt.“ Das Bild war ebenfalls neu und besaß das Verdienst guter Färbung und Zeichnung. Die übrigen Gemälde, deren es hier sehr viele gab, waren von keiner Bedeutung. – Mehrere kolossale, echt venetianische Spiegel, reizend geschnitzte Schränke und Etageren mit den kostbarsten Porzellanen, allerlei Seltenheiten, Schmucksachen, Teppiche und prachtvolle Möbel nebst einem Erard’schen Flügel in Jaccaranden-Gehäuse zeugten von dem Reichthume des Schloßherrn.