Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/290

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Ein dritter Saal war zum Billardzimmer eingerichtet, und hier gab es wieder viele obscöne Bilder. In der Bibliothek, wo es nur wenige Bücher gab, hing erst Herrn M.’s Portrait, so wie einige mißgestaltete Engel und grimmassirte Bilder in Pastell, welche ich nicht bewundern konnte, obwohl sie Herr M. als Lady’s Werke bezeichnete. – Hingegen war sein Brustbild ein vorzügliches Oelgemälde. Ueberall herrschte Pracht, und die vielen eleganten Gemächer hätten einen fürstlichen Hofstaat fassen können. Nachdem Herr M. mir die Herrlichkeiten seines Schlosses gezeigt hatte, sagte er: „Nun überlasse ich Ihnen, den Erziehungsplan nach ihrem Gutachten einzurichten, nur strengen Sie die Kinder nicht sehr an, sie sind noch so jung, und machen Sie sich selbst nicht zu viel Mühe. Wenn es das Wetter erlaubt, so gehen Sie vor und nach Tische mit ihnen spazieren, denn die Gesundheit geht doch Allem vor.“

Und somit verließ er uns. Ich begab mich hierauf mit meinen Zöglingen in das Schulzimmer, ließ mir ihre Bücher und Hefte zeigen und examinirte sie in den Gegenständen, worin sie von ihren Lehrerinnen waren unterrichtet worden. Ihre Studien setzten wegen ihrer Mannichfaltigkeit in Staunen, denn sie hatten Französisch, Deutsch und Lateinisch, englische Sprachlehre, Geographie, Geschichte, Schönschreiben, Rechnen und Tanzen gelernt, sprachen auch erstere Sprachen schon recht hübsch. Nachdem wir ein Paar Stunden miteinander gearbeitet hatten, machten wir einen Spaziergang; der Himmel war wohl immer noch grau und die Luft nebelig, aber überall zeigte sich die verjüngte Natur im zarten Frühlingsgewande, denn es war die schöne Zeit des Lenzes.

Um ein Uhr läutete man zu Tische; hier nahm Herr M. das untere Ende desselben ein, während ich mich an das obere setzen mußte. Das Mahl war ein dem Frühstück entsprechendes, und der servirende Bediente präsentirte Portwein und Sherry in schön geschliffenen Caraffen, die auf der Mitte der Tafel standen.

Herr M. war ein launiger, lebhafter Mann, er erzählte eine Menge fashionabler Anekdoten und Späße in dem Dialekte der vornehmen Welt, der sich so wesentlich von dem der zweiten Klasse der Gesellschaft unterscheidet; er war unbedingt liebenswürdig.

Nach Tische gab ich den Kindern ein paar Stunden Unterricht, und nachdem dieser beendet war, gingen wir spazieren. Die Kinder erzählten mir bei dieser Gelegenheit viel von ihren Gouvernanten, deren