Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/293

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dick bemalten Gesicht, über welches ein schwarzer Schleier herabhing, der ihm das Ansehen einer verhangenen Maske gab, saß in einem theatralischen Costüm auf dem Sopha und empfing mich mit grimassirender Freundlichkeit. Betroffen blickte ich Herrn M. an, der sich an meiner Bestürzung zu weiden schien, indem er mit einem muthwilligen Lächeln nach der Dame blickend sagte: „Frau M.!“

Anstatt der edeln Haltung und Formen, statt des schönen Gesichtes erblickte ich eine kleine zusammengehockte, eng- und flachbrüstige Person mit einer Physiognomie, welche durch ein Paar kleine schwarze, bewegliche Augen, die fortwährend blinzelten, und Züge, die unaufhörlich manövrirten, einen widrigen Ausdruck von List und Ränkesucht erhielt. Mistreß M. redete mich spanisch an, verrieth aber sofort ihre Unkenntniß dieser Sprache und ging zur italienischen über, in welcher sie einige Phrasen sprach. Sodann sprach sie französisch, und endlich legte sie mir eine Menge Fragen auf englisch vor, ohne mir Zeit zu geben, ihr eine einzige zu beantworten. Das sollte „Prüfen" heißen! Frau M. machte mir hierauf einige Complimente, welche ebenso gut für Spott als Ernst hätten gelten können, und schlug dann einen Spaziergang vor. Sobald sie sich erhoben hatte, firlte sie pfeilschnell bis an die Thüre und bemühete sich dann, den Eindruck zu bemessen, den dieser Aufwand jugendlicher Behendigkeit auf mich und die beiden Herren hervorgebracht hätte. So lächerlich sie mir indessen vorkam, so blieb ich dennoch vermöge meiner natürlichen Abneigung gegen den Spott ernsthaft, nur Herr M. lächelte ironisch.

Als wir in’s Freie traten, gingen die beiden Herren mit den Kindern voran, und Frau M. wankte jetzt unsicheren Schrittes neben mir her.

„Was haben mich doch meine vielen Wochen ruinirt, fing sie an, ich tauge nur noch zu geistigen Genüssen, und bedauere meinen vortrefflichen Gatten, dem ich leider nichts mehr als Freundin sein kann.“

Ich horchte mit Spannung.

„Ich hoffe, Sie werden recht zuvorkommend und gefällig gegen ihn sein und ganz meine Stelle bei ihm vertreten," sagte Mistreß mit einem Blicke, welcher rührend sein sollte.

„In gewissen Beziehungen wäre mir dies unmöglich, Madame,“ versetzte ich.

„Aber warum denn? ist er nicht ein schöner, bezaubernder Mann?“