Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/53

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meine Befreiung um jeden Preis auszuführen. Ich wagte daher eines Tages, eine verheirathete Schwester der Miß Ch., deren Adresse sie mir gegeben hatte, aufzusuchen und mir Rath zu erholen. Zu meiner unbeschreiblichen Freude traf ich Frl. Ch. selbst hier, die mich mit großer Herzlichkeit bewillkommnete und nicht begreifen konnte, wie ich fünf volle Jahre in jenem „Sodom“ habe ausdauern können. Zugleich versicherte sie mich, sie habe mir mehrmals geschrieben, mich sogar persönlich aufgesucht, sei aber stets vom Diener abgewiesen worden. Jetzt ward mir klar, daß Lady N. meine Briefe unterschlagen hatte! Frl. Ch. sagte mir zugleich, daß sie mir eine Stelle als Erzieherin bei Mistreß E. auf E…house bei St. ausgemacht und mir auch von dort aus geschrieben habe, daß sie selbst gleich nach ihrem Abgange von Lady N. jenen Posten innegehabt, wegen der dortigen Luft aber hätte verlassen müssen. Als ich mich zur Annahme dieser Stelle bereit erklärt hatte, verabredeten wir alles Nöthige und ich begab mich nach Hause, mit dem Vorsatze, sofort zu kündigen. Milady empfing meinen Entschluß als Antwort auf ihre Drohung, daß ich ihr Haus verlassen müsse, sobald ich es wage, noch ein Mal auszugehen. „Ich wünsche nichts so sehnlich, sagte ich, als Ihr Haus zu verlassen, Milady, und mache Sie mit meinem festen Entschlusse bekannt, dasselbe heut über vier Wochen zu verlassen, bitte Sie auch, mir meinen lange vorenthaltenen Sold sofort auszuzahlen.“

„Wie, rief die Lady, Sie wollen mich verlassen, Sie undankbares Geschöpf? nachdem ich Ihre Gesundheit hergestellt und Ihnen so viel Gutes erwiesen habe?“

„Was meine Gesundheit betrifft, sagte ich, so ist diese keinesweges wiederhergestellt, und übrigens habe ich Ihnen für einen Gehalt gedient, dessen wir uns Beide schämen müssen. Wenn Sie den Mangel und die Schande, die ich bei Ihnen erduldet, Gutes nennen, so steht Ihnen frei, eine Andere damit zu verpflichten.“

Georgiana gerieth in eine entsetzliche Wuth, schwor, daß sie mir kein Zeugniß geben und Maßregeln ergreifen werde, um mein nochmaliges Ausgehen zu verhüten.

Ich hörte nicht darauf, mußte aber zu meinem tiefsten Schmerz eine Verschlimmerung ihrer Grausamkeit an den Kindern bemerken. Sie wurden des Nachts mit den Händen und Füßen an den vier Bettpfosten gebunden und das Ungeheuer ersann allerlei neue Grausamkeiten;