Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/70

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den Blicken der Beschauer. Eine bildlichere Darlegung der männlichen Gerechtigkeit und Großmuth hätte der Künstler nicht leicht liefern können. – Wir sahen auch das Zimmer und Bett, in welchem die Königin Elisabeth geschlafen hatte, noch in dem Zustande, in welchem sie es verlassen. Der Prunksaal enthält nebst anderen Familiengemälden die Großeltern des jetzigen Marquis mit ihren Kindern in Lebensgröße, von welchen man uns folgende authentische Geschichte erzählte. Der Marquis war auf einer Vergnügungsreise plötzlich erkrankt, von einem Pachter und seiner schönen Tochter aufgenommen und gepflegt worden. Als er genesen war, freite er um seine schöne Pflegerin und gewann sie, verschwieg ihr jedoch seinen Rang und gab sich für einen Standesgenossen ihres Vaters aus; dies war in jenem Lande der Freiheit eher möglich als bei uns, wo Pässe, Heimathsscheine, Geburtsscheine u. dgl. das erste Lebensbedürfniß bilden. Als er sie nun nach der Trauung in sein fürstliches Schloß einführte, in dessen Park die zahlreiche Dienerschaft ihre Gebieterin in Reih und Glied erwartete, und ihr gesagt wurde, daß sie die Herrin über Alles sei, fiel sie in Ohnmacht. Nichts destoweniger hatte sie sich sehr bald in ihre Lage gefunden, dieselbe mit vieler Würde repräsentirt und sich allgemeine Verehrung und Liebe erworben. – Das bedeutendste Gemälde ist der berühmte Ecce homo von Carlo Dolce, mit der Dornenkrone, und es war ein schöner Gedanke, dieses, das christliche Herz innigst rührende Gemälde ganz allein in ein schwarz ausgeschlagenes Zimmer zu hängen. Es macht dies ganz den Eindruck einer Kapelle.

Nachdem wir alle Sehenswürdigkeiten betrachtet, verließen wir Burley-Hous und ich trennte mich von meiner freundlichen Gastgeberin und ihren Freunden mit einem unsäglichen Gefühle und Zufriedenheit mit den Erlebnissen des Tages.

Dieser Winter brachte der Familie S. schwere Prüfungen. Herr S., auf der einen Seite bereits gelähmt, wurde abermals vom Schlage getroffen und verfiel in eine lange Krankheit; bald darauf erkrankte auch Frau S. Beide wurden nur durch die Pflege ihrer Kinder und die rastlose Sorgfalt eines jungen Arztes gerettet. Wahrhaft bewundernswerth war die Geduld und Entsagung, welche Alle unter diesen schweren Prüfungen an den Tag legten, und Frau S. pflegte oft die Worte ihres Freundes und Beichtvaters, des Pfarrers R., zu wiederholen: „Die Gesundheit verhält sich zum Leben wie der Zucker zum