Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/72

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Eines Tages endlich erklärte er ihr, daß es ihm unmöglich sei, sie zu heirathen, weil er ihr französisches Wesen nicht vertragen könne, und da er um ein englisches Mädchen geworben habe, sei er nicht verpflichtet, eine gekünstelte Französin zu heirathen. Anna verließ ihn, unfähig, ihm zu antworten, und indem sie todtenbleich zu uns in’s Zimmer trat, sagte sie: Vater, John tritt zurück – ich bin verloren! – Mein Mann, der ihn natürlich zur Rede stellte, erhielt dieselbe Erklärung von ihm. Wir verlangten Genugthuung von den Eltern, und diese versicherten, daß sie bereit wären, unsere Anna als Tochter zu empfangen, aber ihren Sohn nicht zu einer Heirath zwingen könnten. Wir mußten diesen Bescheid als bündig hinnehmen, und Anna würde sich vielleicht mit der Zeit beruhigt haben, wäre nicht die Eifersucht hinzugekommen. John ist mit unserem Nachbar, Herrn B., noch mehr aber mit dessen schöner und koketter Frau befreundet – das Uebrige können Sie errathen. Wenn Ihnen also Ihre Ehre und Ruhe lieb ist, so verlassen Sie die Familie S., denn schon spricht man davon, daß er Ihnen den Hof macht. Ihr Unglück ist allgemeiner …“

Ein angekommener Besuch von Verwandten unterbrach unser Gespräch und ich hatte nur noch Zeit, die Worte zu sagen: „Bis jetzt hat mir Herr S. noch nicht die geringste Veranlassung zu einer Befürchtung gegeben, indessen danke ich Ihnen für Ihre wohlgemeinte Warnung und gebe Ihnen die Versicherung, daß mir für meine Ehre kein Opfer zu groß sein würde.“ Ich war froh, mich endlich empfehlen zu können.




Neuntes Kapitel.




Ich fühlte mich auf das Sonderbarste bewegt und in meinem Kopfe kreuzten sich tausend Gedanken. Kaum hatte ich es mir selbst gestanden, daß John mir Aufmerksamkeit beweise – und schon sprach die Klatschmuhmen-Gesellschaft davon. Welches Talent haben doch die alltäglichsten Dutzendmenschen, sobald es Unheil zu stiften gilt! Eine Art Allwissenheit steht ihnen zu Gebote, alle Elemente sind in ihren Diensten,