Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/73

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ein Bund von Millionen Verschworener, die sich alle nicht kennen und doch auf einen Wink nach einem Ziele hinstreben, wirkt und arbeitet dann mit unermüdlicher Geschäftigkeit. Ich mußte mich selbst erst prüfen, ob mein Herz für den Treulosen empfinde, und schon sprachen sie von meiner Ehre – ja, wahrhaftig, das Wort Ehre war in der Rede der Mistreß W. vorgekommen! Mein Glück war schon wieder im Niedergange begriffen, das sagte mir mein ahnungsvolles Herz. – Ich hatte den jungen Mann für ein Muster gehalten, hatte keine Ahnung von dem Erzählten gehabt, meine erste Frage war daher: Ist es zu tadeln, daß er sein Wort brach, oder nicht? Hier stieß ich zuerst auf die Seltsamkeit des Verfahrens, die Braut auf ein ganzes Jahr von dem Bräutigam zu trennen, und sie, die schon alle Vortheile einer guten Erziehung genossen hatte, in’s Ausland zu schicken und mit einiger französischen Grazie zieren zu lassen. Es kam mir vor, als wenn ich einen englischen Garten erhandelt hätte und der bisherige Besitzer ihn hinterdrein in einen französischen verwandeln und umgestalten ließe; ich fühlte mich überzeugt, daß ich ihn dann verschmähen würde. In dieser Beziehung konnte ich also John nicht tadeln. Bei der Betrachtung der zweiten Beschuldigung stellte sich das Bild der Frau B., welche ich mehrere Male in der Kirche zu Tansor gesehen hatte, mit ihrem reizenden Gesicht und ihrer schönen Gestalt, worüber ein seltener Liebreiz verbreitet war, vor meine Seele, und ich fühlte, wie mein Herz dabei schneller schlug und mein Athem beklommener ward. Meine Vernunft forderte sogleich mein Herz vor ihren Richterstuhl. „Wenn Frau B. alt und häßlich wäre, würdest du, Herz, dann auch so klopfen und zittern?“ fragte die Vernunft. „Wahrscheinlich nicht, antwortete das Herz, denn dann wäre weniger Gefahr für ihn vorhanden.“

Ich fühlte mich höchst beunruhigt und unzufrieden mit mir selbst und musterte alle meine Gefühle auf das strengste, wie auch Johns Betragen gegen mich. Er war stets so höflich und achtungsvoll gewesen, seine Scherze so unbefangen, so gutmüthig. Hatte er eine Beute auf der Jagd erlegt oder einen schönen Fisch gefangen, so brachte er mir sie zuerst und freute sich über den Antheil, den ich daran nahm. Kein Tag verging, ohne daß er mir die Hand herzlich schüttelte; war er einmal verreist, so enthielt jeder Brief einen Gruß an mich; kam er dann wieder, so ging er hastigen Schrittes nach meinem Zimmer und erkundigte sich herzlich nach meinem Befinden. Alle diese Aufmerksamkeiten